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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 15
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Aus der Bücherei
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0219

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-Äst!

Nus der Kücberei

IKbelntscb-MestMlsebes Diebterbucb. k?eraus-
gegeben von paul Baehr. (Mnnster und paderborn, Schö-
ningh). — Die „Dichterbücher", welche sich je einein dcutschen
L'ande oder einer Landschast widinen, sind in den letzten Iahren
sehr in Aufnahme gekommen: lange wird's nicht inehr dauern,
bis jeder deutsche ,,Gau" eine solche vertretung aus den
parnaß senden kann. Baehr hat seine Arbeit sehr gewissen-
hast ausgesaßt und sich besonders höchstmöglicher Gbjektivität
befleißigt: „von der Lrkenntnis ausgehend, daß jcde echte
Lyrik voll empsnndene nnd geistig geschautc innere Erfahrung
ifl, daß Ieder nur sein Leben lebt und daß deshalb das
Lied so verschiedenartig sein inuß, wie dos Linpfindungsleben
des Linzelnen, glaubte ich bei der Auswahl der Gedichte
keinen einseitigen Standpunkt einnehmen zu dürfen." Nur
„Brillanten" oder ,,s)erlen" wird man sreilich nicht finden
aus diesen 568 Seiten in einer Zeit, die zwar alle Iahre
einige Millionen Strophen, aber nach unserer persönlichen Lr-
fahrung ganz sicherlich nicht mehr, als etwa ein knappes
Dutzend wirklicher Gedichte in allen dcutschen Landen znsammen
hervorbringt. Ls ist auch gar nicht die Ausgabe der Dichter-
bücher, nur sderlen aus dem Verse-Meere herauszufischen.
Sie sollen uns zeigen, was überhaupt aus der Tiese heranf-
wächst, oder doch lebendig, nicht tot, im wasser schwimmt, um
die Sichtung dessen, was davon schön ist, dem prüfenden Blicke
leichter zu machen. Manches wenigstens von dem, was Baehr
gesunden, hat auch wirklich dichterischen wert. Und so ist
seine Arbeit eine dankenswerte auch sür Andere, nicht nur
sür die westsälischen und rheinischen Landsleute, sür die das
Buch unbestreitbar ein kulturgeschichtliches Interesse besitzt.

L^eugNlSSe und proteste. von Georg Günther.
jdlauen, Neuperts verlag. — Das neueste tVerk des ver-
sassers der trefllichen „Grundzüge der tragischen Aunst", ebcn
dieser Aunst gewidmet. In einer Zeit, in welcher die Aunst
so ost mit anderm Maßstabe, als ihrem eigenen gemessen wird,
thut es wohl, Männern von der Begabung und dem Runst-
verstande Günthers zu begegnen, welche sich ritterlich der be-
drängten hilslosen jdriesterin der 5chönheit annehmen und in
heiligem Zorn mit den wuchtigen Reulenschlägen ihrer j)ole-
mik sür die Lrhaltung des reinen, ungefärbten und von jeder
philosoxhischen Doktrin unbeeinflußten Runstprinzips eintreten.
Günther protestiert in diesem neuen Buche noch energischer,
als in den „Grundzügen" gegen die Anmaßung der jdhilo-
sophie, die Runst, und vor Allem die tragische, als „eine Art
jdropfreis" an ihrem Baume der Lrkenntnis zu betrachten,

Lose

DlL /Denscbbett.*

schaute — wundersamer Morgeutraum —

Iu eiues Rampfs gestalteuvollen Raum.

Liu mächtig Ringeu war's der Geisterwelt,
von weh'ndeu Flammeu wechselvoll erhellt.

In welschland, wenn ich mich besinnen mag,

Sah schier ich so gemalt den jüngsten Tag:

wo, streng gerichtet, was von Lven stammt,

Zur ^älfte steigt, zur Hälste sinkt verdammt.

um sie so gleichsam sich einzuverleiben und ihr die Linseitig-
keiten des jeweiligen allein seligmachenden Modesystems um
so leichter ausnötigen zu können. Da sie es mit dem Schönen
nicht mit dem wahren zu thun hat, hat die Aunst mit der
jdhilosophie materiell überhaupt nichts zu schaffen. Günthers
Grundanschauungen sind nicht „neu und sensationell",
wohl aber sind die Lrgebnisse, zu denen sein Scharssinn
und die konsequente, geistvolle Anwendung jener nun schon
Iahrtausende alten, aller echten Tragik immanenten nnd in
den oben erwähnten „Grundzügen" meisterlich entwickelten
Runstgesetze sührt, neu und in vielen jdunkten überraschend,
und wer mit Günther in den Darbietungen der Aunst nicht
oberflächliche Unterhaltung sucht, sondern Sittlichkeit, geschaut
im Spiegel der Sinnlichkeit, wird, auch wenn er Günthers
Ansichten nicht vollständig teilen kann, dennoch mit reichem
Genusse seinen Ausführungen solgen, weil aus seinen Büchern
der lebendige Mdein einer warmen hochherzigen Begeisterung
den Leser wohlthuend anweht. Alsred Ahner.

Am Kürgerbause. jdlaudereien über Kunst, Runst-
gewerbe und Wohnnngs-Ausstattung. von Lornelius Gur-
litt. (Dresdcn, Gilberssche ksof-verlagsbuchhandlung). —
Ls ist „das ganze Büchlein weniger sür die Fachleute be-
stimmt, als sür die Genossen und Genosfinnen aus deutschem
Bürgertum, welche sich ein kseim einzurichten gedenken und
mit derlei ksantierung bisher nichts zu thun hatten". „Ls
möchte als eine Anleitung gelten, um den Gedankengang beim
Schaflen kennen zu lernen und somit dem vom Gestaltungs-
drange bisher nicht Berührten zu zeigen, wie es kommt, daß
Andere durch denselben so beglückt werden." Linmal eine
Schrist, die nicht aus dem Glauben heraus entstanden ist, mit
der verordnung irgend welcher Regeln ließe sich eine Ge-
schmacksbildung erzielen, geschrieben von einem Manne, der
als echter jdädagog versucht, den Geist seines Schülers zu ent-
wickeln, nicht, ihn einzupressen in eine Form, wie der Lhinese
den Zrauensuß. Gurlitt giebt nicht Renntnisse, er leitet die
Leser an, selber zu sehen, das Gesehene selbst zu durchdenken,
selber zu empfinden und das Lmpfundene selbst zu gestalten,
aus daß die ksauptstätte ihres Lebens kein Geschenk von irgend
einem Rünstler, „Dekorateur" oder Tapezierer sei, sondern ein
lebendiger Ausfluß ihres eigenen wesens. wir brauchen
nicht zu bemerken, wie nahe demnach der Gehalt des Buches
den Strebungen verwandt ist, deren Förderung auch unser
Blatt vertritt; wer an diesem Gefallen findet, wird auch
Gurlitts neueste Gabe willkommen heißen.

Doch nein! Die letzte Scheidung war es nicht.
Ls war ein mut'ger ^turm empor in's ticht!

S>ie rangen Alle mit vereinter Rraft,

Beseelt von Lines Rranzes Leidenschaft.

wankt' einer wie gelähmt vom j)seilgeschoß —
Den riß empor ein stärkrer Rampsgenoß,

Nnd mancher Rühne stieg in schwerem Flug,
Der einen Wunden aus der Schulter trug.

Da hab ich eines Führers Rus gehört:

„Der Rerker", schrie er, „Geister, ist zerstört!

Kläller

* Mit Genehmigung des versassers und der verlagshandlung kjaessel in Leixzig) aus „kjuttens letzte Tage". wir
glauben die vierhundertjährige wiederkehr von lfiuttens Geburtstag nicht würdiger begehen zu können, als
durch den Abdruck dieses Gedichts. A.-L.


(s

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