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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 10
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Hausegger, Friedrich von: Richard Wagners nationale Bedeutung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0127

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üöer alle Neöiete^eAMcbönen.



ro. Stück.

Lrscbeint

Derausgeber:

zferdinand Nvenarius.

Kcstcllpreis:
vierteljährlich 2 l.'z Mark.

3»brg. t.

Nicbard Magners nalionale Kedeutung

L^s^^ünf Iahre sind verflossen, seit auf fremdem
der Künfller starb, der wie kein
^jWMM^anderer der Zeit eingegriffen haite in das
^^^W^Nunstleben seines volks.

Nicht die Geburt noch die walfl vaterländischer
Stoffe für seine Schöpfungen bestimmen die nationale
Bedeutung eines Künstlers. Wer wird anstehen,
der „Iphigellie" von Goethe eine größere, llicht
nur künstlerische, auch nationale Bedeutung beizu-
messen, als etwa den Hohenstaufendramen voil Nau-
pach? Die Bedeutung der Gper „Fidelio" für die
deutsche Aunst wird dadurch nicht geschmälert, daß
ihre ^andlung nicht in Deutschland spielt. Gs wäre
eine oberflächliche Aufsassung, wagners Schaffen darum
in höherem Nlaße der deutschen Nation zueignen zu
wollen, weil er seine Stoffe zum größten Teile der
deutschen Ach'the und Sage entnommen hat. Aller-
dings hatte diese wahl bei ihm eine tiefe, seine
nationale Größe mit umfassende Ursache; aber nicht
die wahl allein, sondern diese ihre Ursache wird
Gegenstand unseres Interesses sein inüssen, weun wir
ihn nach seinen nationalen Ligenschaften erfassen
wollen.

Wir werden uns, um unserer Betrachtung das
richtige Geleise anzuweisen, fragen müssen, worin wir
denn den nationalen wert künstlerischen wirkens er-
blicken.

Sicher nicht darin, daß durch außergewöhnliche
Ceistungen der Nation Lhre und Nuhm zugewendet
oder daß ihren Trzeugnissen ihrer Niassenhaftigkeit
oder Zugänglichkeit wegen lebhafte Nachfrage ent-
gegen gebracht werde. Nur soweit die innere Gnt-
wicklung der Nation durch den Aünstler gefördert
wird, durch ihn die in ihr schlummernden Zdeenkeime
zur Lntfaltung, die entfalteten zur organischen Fort-
bildung gebracht werden, nur soweit es ihm gelingt,

seinem Schaffen eine das innere wesen seines Volkes
erfassende Triebkraft zu verleihen, darf er nationale
Bedeutung beanspruchen. 5o sind wir Deutsche ge-
wohut, das wirken unserer Größen aufzufasseu, und
daß sie in diesem Änne wirken konnten, giebt uns
die Gewähr für die Lebens- und Tntwicklungsfähig-
keit des deutschen Geistes selbft.

Ntanche Ursachen sind es, welche dem deutschen
Volke diese Bedeutung R. wagners nicht zum vollen
Bewußtsein kommen ließen. Line davon ist, daß er
mit diesem deutschen volke von einer Stätte aus in
Berührung getreten ist, von welcher man wohl Unter-
haltung, Zerstreuung, selbst Nührung, sicher aber nicht
Gffenbarungen von einem die tiefsten menschlichen
Znteressen berührenden Gehalte zu erwarten vorbe-
reitet war. Als Gpern pflegt man wagners Schöpf.
ungen zu betrachten; als Libretti besserer Sorte gelten
selbst bei den wohlmeinenden seine Dichtungen. sDhan-
tastische Gestalten scheinen da vorüberzuziehen, zu einer
seltsamen ^andlung zusaminenwirkend, Alles in eine
Sphäre bestrickender Lsarmonie- und Znstrumentaleffekte
getaucht. Unt der Anerkennung dieser wirkung auf
ihn meint Ulancher seiner richtigen Magner-Begeisterung
Ausdruck gegeben zu haben; man wird nicht zu viel
sagen, wenn man behauptet, daß noch eine große !
Zahl unserer sogenannten wagner-Freunde über diesen
Standpunkt nicht hinausgekommen ist. Begreiflich!

Zst man doch gewohnt, innerhalb des Nahmens der
modernen Gper vornehmlich die bezeichneten Ulomente
wirksam zu finden und sich mit ihnen zu begnügen.
was etwa nebenbei bei Anhörung wagnerscher
werke sich noch einstellt, eine Lrhebung ernstester
Art, eine Anregung durch Berührung tiefster Zdeen,
das meint man als einen gebotenen Überschuß dank-
bar mitnehmen oder gar als störenden Überfluß zu-
rückweisen zu müssen. wo bliebe denn die Gper,




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