Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

DOI Heft:
Heft 21
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Artikel:
Vom Tage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0313

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
wies aber doch, wie wenig künsllerisch durchgebildet
diese „Branche" heutzutage ist. Die Bündel von je
H500 Naketen waren freilich von großer Wirkung;
manche Linzelheiten, z. B. jene Raketen, decen Licht-
süllungen sich in riesigen Lächern ausbreiteten und
eine Weile lang in der Lust standen von außerordent-
licher Schönheit. weshalb aber z. B. störte man bei
den letzteren sortwährend die ruhige, sast erhabene
Lichtwirkung dieses seurigen j)almenhains, der dort
droben hoch ins nächtliche Dunkel auswuchs, durch
Leuchtkugeln u. dergl., die mitten in die schönen Ge-
bilde hineinschossen und das Ganze wirr und bunt
machten? Ginen zweiten kaum begreislichen Fehler
verrieten die Gerüste, welche (übrigens auch zu nah
an die Bavariahalle herangerückt) die Aehlheimer
Besreiungshalle und die walhalla zu Begensburg
darstellen sollten. lVarum waren sie nicht mit be-
malten oder einsach mit weißen ^tosfen überkleidet?
Als die Flammen ihre architektonischen Umrisse ins
Dunkel zeichneten, ward das sreilich nicht vermißt;
sehr störend aber trat der Mangel im Verlaus des
Festes hervor bei den wiederhollen Beleuchtungen der
Buhmeshalle und des über alles hoch sich erhebenden
Niederwalddenkmal-Bildes. Denn hier leuchteten die
Aehlheimer wie die Negensburger Lsalle allzeit mit:
aber kahl und sparrig nur mit nackten Balken als Gerippe.
— Mit einem trotz der so hochgespannten Lrwartungen
überraschenden Neichtum von Gruppen entwickelte
sich am nächsten Vormittage der Festzug, über dem
der Geist der Alünchner Rünstlerschaft bis ins Aleinste
anordnend gewaltet hatte. Die Huldigung des
Volkes in allen seinen Ständen und in allen
Lormen seiner geistigen und körperlichen Arbeit hatte
neben Lrinnerungen an die alte Zeit und symbolisch
ausgebildeten Beziehungen zum ersten Ludwig in
hunderten von wagenbauten oder Menschen- und
Tiergruppen oder Linzelgestalten Leben gewonnen in
einer reizvollen kVunderwelt, deren schönste „Gegen-
den" sreilich die von den verschiedenen Aünstlerkreisen
sür sich selber hergerichteten waren. Dürften wir
sür spätere Fälle einen wunsch niederschreiben, so
wär es der nach einer größeren Anzahl während
des Festzugs thätiger Gestalten. Auch sür die
gefälligsten Bilder werden wir schließlich bei solchen
Niassenentsaltungen doch abgestumpst, wird der Farb-
und Formensinn nahezu allein, werden wir ohne
andersartige krästige Anregungen „zur Zwischenspeis'"
zwischen den Hauptgerichten sür's Auge in Anspruch
genommen. Die Musik mitziehender Rapellen genügt
aus die Dauer zum angedeuteten Zwecke nicht. wie
ersrischend wirkte neben all dem der Schaulust dienenden

Vom

Aaiser Wilhelm II. ehrte den Genius Richard !Vag-
ners dadurch, daß er ausdrücklichen Besehl erteilte, am 25. Zuli
an Wagners Grabe eine lsuldigungsseier zu veranstalten, wozu
das Musikkorps der Teib-Gardehusaren abgeordnet ward.

Die Bayreuther Festspiele haben am 22. Iuli unter
stärkstem Zudrang von Besuchern ihren Ansang genommen.
„wer die Menge der Zuhörer sich drängen gesehen hat", so
schreibt Gtto Leßmann, „wer erlebt hat, wie in andachtsvoller

5chönen und Znteressanten dann und wann ein
unmittelbares Stückchen Romik, z. B. der Bürger, der
vor dem Laubzelt das Bocklied sang oder die Ge-
sellschast des „Metzgersprungs" mit ihrer Ausgelassen-
heit. Von derlei Dingen (es brauchen durchaus nicht
nur „komische", es können auch „ernste", es sollen
nur ohne weiteres verständliche Thätigkeits-
äußerungen sein) hätte der Münchner Festzug noch
viel mehr recht gut vertragen: sie sind keine Allotria,
sie kommen einem psychischen Bedürsnis entgegen. —
Nicht ganz den Lrwartungen, die wir uns gebildet
hatten, entsprach die Ausschmückung der Stadt.
Sehr eindrucksvoll freilich war die Allgemeinheit des
^chmucks — eine Allgemeinheit, wie ich sie so noch
bei keiner andern Gelegenheit irgendwo gesehen habe.
Akußte man doch in den belebteren Straßen ganz
Münchens suchen, ehe man ein bsaus 0 hne Fahnen
und Rränze sah. Aber es sehlte durchgängig das,
was einer Stadt erst den höchsten Reiz der Festlich-
keit verleiht: die Dekoration quer über die Straßen
h in. Nur alle drei Ltäuser weit je ein grünes Ge-
hänge über die Gassen weg, mit sarbensrohen Hchil-
dereien an den tiessten Stellen der schönen, von der
Schwerkraft selber gezogenen und vom winde ge-
schwungenen Linien — und die malerische kVirkung
des herrlichen Zugs in den Straßen wäre noch eine
ganz andere gewesen! Das steht nach hundert-
sachen Grfahrungen so sest, daß man zur Lrklärung
der Nnterlassungssünde an ein Verbot der Gbrigkeit
glauben würde, sände sich für ein solches nur irgend ein
halbwegs stichhaltiger Grund. — Die Zllumination
am Abend wirkte wieder vor Allem durch Allgemeinheit:
stört doch eine einzige dunkle Fensterreihe aus das
Tmpsindlichste den Tindruck einer derartigen Beleuch-
tung. Daß die Bterne, Namenszüge usw. aus gebogenen
Gasröhren mit ihren sast immer kleinlichen Tsfekten sel-
tener waren alsgewöhnlich, zeugte von gutem Geschmack.
Viel vertreten war das elektrische Ticht (das überhaupt in
München eine große Nolle spielt), ohne daß man sich
doch die eigentümlichen Vorzüge der neuen Beleuch-
tungsart sür den hier maßgebenden Zwe<ck schon ganz
dienstbar gemacht hätte. !Vir kommen wieder aus
die schmückenden Gehänge quer über die Straße zu-
rück. kVelche Lichtwirkungen ließen sich gewinnen,
wenn solcher Art, mit ihnen verbunden oder nicht,
elektrische Lampen über den Straßen angebracht
würden, zumal wenn man durch Oessnen und ^chließen
der Batterien IVechsel, Bewegung und Leben den
Tichtern gäbe, die scheinbar gleich Sternen in der
Tuft über der Atenge sckwebten.

A.

Tage.

Stille diese tausende, aus aller kserren Tändern zusammen-
geströmterr, in ihren Aunstanschauurrgen und Auirstbedürsniffen
so grundverschiedenen Menschen vor der Majestät zwerer Aunst-
werke sich beugten, wer endlich den Lnthusiasmus mitzuempffnden
vermochte, der am 5chluß jeder der beiden ersten Vorstellungen
dre während des Spiels scheinbar leblose Masse im Iuhörer- >
raum wie mit einem heiligen Feuer durchglühte und in stür-
rnische Bewegung brachte, der dürste sich wohl eingestehen,

307 —
 
Annotationen