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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 21
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0312

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auf der Bühne des musikalischen Runstwerkes zu er-
reichen war. Dieser dagegen, in großem Nnrechte
besangen, soseru er jene edle Tendenz mißverständ-
lich vom strengen Schauspieler-Standpunkt beurteilte,
war doch wiederum mit seineu eigenen Forderungeu
sür dieses Schauspiel im vollsten Rechte, sofern er es
als uatürlichsten Runstausdruek der deutscheu Volks-
tümlichkeit betrachtete. Ich nenne dies „germanischen
Realismus" uud bezeichne mit dem „Germanischen"
zugleich deu dennoch stets idealeu Reru auch dieses
Nealismus des Schauspiels. Das gesprochene Schau-
spiel ist nach Stofs uud Form durchaus national, sosern
es eben „das sich selber spielende Volk" bedeutet, und
diese in's volle Leben getreteue „Nationalität" hat au
sich idealen IVert, auch wenn die Lrscheinungsart
dieser Runst, an Spiel und Sprache hasteud, eine „rea-
liftische" bleibt. Das aber ist einem solchen Schauspiele
uotwendig: daß es den Boden der „stehendeu Bühne" mit
ihrem besonderen Schauspieler-Staude verlasse, auf
welchem dann vielmehr die Lrhaltung der großeu s)oesie
unserer Vergaugenheit treu zu pstegen bliebe. Liner
durchaus lebensvollen und ganz wahrhaftigen Zu-
kunst — von originellem und organischem Rulturwerte
neben dem „idealisierten" Theater des sog. musikalischen
Dramas — ist das gesprochene Schauspiel nur dann
sicher, wenn es sich — wie jenes aus den Boden
der idealen Nlusik — seinerseits aus den Grund des
realen Volkes stellt. Die mimischen Talente dieses
Volkes in ihrer natürlichen Tigenart werden dann
bei den dramatischen Nationalseiern als Lehrer und
Vorbilder der lebhaft mitwirkenden Rienge und inmitten
der gleichgeftimmten, nahverwandten Flladt- und Gau-
Bevölkerung aus die edelste und würdigste Weise
sich bethätigen können. Das stehende Theater wird
also damit keineswegs beseitigt, noch das schauspiele-
rische Talent beeinträchtigt. Nur den Tharakter einer
materiellen Spekulation, eines „Gewerbes" büßte
Beides ein. Dafür hätten wir eine lebendige und
wahre Aunst gewonnen, welche echt deutsch wäre und
von unberechenbar heilsamer Wirkung werden könnte
aus den volksgeist selbst. Bei sich „zu Hause" würde
dieser jetzt zur gemeinsamen Belebung einer vertrau-
lich-künstlerischen wirklichkeit jenen idealen Athem
schöpferisch wieder verwerten, den er selbst immer neu
zu schöpfen vermöchte aus der strengstens rein be-
wahrten Sphäre der einen seierlich entrückten ))deal-
bühne von Bayreuth. Ljans von Molzogen.

Mldende Ikünste.

^ Zn einer Schrist „Drolegomena zn einer
Ds^ebologie der Nrcbitektur" entwickelt

bj. wölfslin den Gedanken: „Rörperliche For-
men können charakteristischsein nurdadurch,
daß wir selbst einen Aörper besitzen".
„wären wir blos optisch-auffassende wesen, so müßte
uns eine ästhetische Beurteilung der Rörperwelt stets
versagt bleiben. Als Wenschen aber mit einem Leibe,
der uns kennen lehrt, was Schwere, Rontraktion,
Arast u. s. w. ist, sammeln wir an uns die Tr-
sahrungen, die uns erst die Zustände sremder Gestalten
mitzuempfinden besähigen". Dem Tinwande, dies
alles habe keine Beziehung auf die Auffassung linearer
und planimetrischer Verhältnisse, begegnet der Versasser
mit der Lrklärung, ihm liege nur mangelhafte Be-

obachtung zu Grunde. „Sobald man Acht hat, wird
man finden, daß wir auch solchen verhältnissen eine
mechanische Bedeutung unterschieben, daß es keine
schräge Linie giebt, die wir nicht als ansteigend, kein
schiefes Dreieck, das wir nicht als verletzung des
Gleichgewichtes empsänden. Daß nun aber gar
architektonische Gebilde nicht blos geometrisch, sondern
als Wassenformen wirken, sollte eigentlich kaum ge-
sagt zu werden brauchen." Der Verfasser wirft einen
kurzen vergleichenden Blick aus die Tonkunst und sährt
dann sort: „wie in der wusik, so in der Aörperwelt.
Die Formen werden uns bedeutend dadurch allein,
daß wir in ihnen den Ausdruck einer fühlenden Seele
erkennen. Unwillkürlich beseelen wir jedes Ding.
Das ist ein uralter Trieb des Wenschen" . . . und
wäre es je anders, es wäre der Tod der Runst.
Die sremdartigen Gestalteu der Rörperwelt, sie „können
uns nur mitteilen, was wir selbst mit ihren Ligen-
schasten ausdrücken". Schon Lotze erklärt: „Reine
Gestalt ist so spröde, in die hinein unsere jDhantafie
sich nicht mitlebend zu versetzen wüßte". „wir be-
sitzen das wunderbare Vermögen," sagt Nob. Vischer,
„unsere eigene Nörperform einer objektiven Form zu
unterschieben und einzuverleiben". So können wir
sagen: „Unsere leibliche Organisation ist
dieForm, unter derwirallesNörperliche
aussassen." wölfflin behauptet nicht, der archi-
tektonische Tindruck sei nun schon vollständig analysiert;
gewiß kommen noch sehr viele andere Faktoren mit
hinzu: Farbe, Assoziationen, die aus der Geschichte
und Beftimmung des Gebäudes erwachsen, Beschaffen-
heit des Stoffes u. s. w.". Zmmerhin „glaubt er
nicht zu irren, wenn er den Nern dieses Lindruckes
in den hier dargestellten Zügen erblickt"; und in der
That geht er in den nächsten Napiteln daran, Schritt
sür Schritt nachzuweisen: „daß die Grundelemente
der Architektur: 5toff und Lorm, Schwere und Nrast
sich bestimmen nach den Trfahrungen, die wir an
uns gemacht haben; daß die Gesetze der sormalen
Ästhetik nichts anderes sind, als die Bedingungen,
unter denen uns allein ein organisches wohlbefinden
möglich scheint, daß endlich der Ausdruck, der in der
horizontalen und vertikalen Gliederung liegt, nach
menschlichen (organischen) jDrinzipien gegeben ist".

vermiscdtes.

* Die Ikdnig-Ludvvigs-F'eler» die München
in den Tagen vom 2 9. bis zum 3t- Zuli Dem zu
Lhren beging, der die Zsarstadt aus einer kleinen
unbeachteten zu einer Stadt von weltbedeutung er-
hoben hatte, gab zu einigen Beobachtungen Gelegen-
heit, deren allgemeinerer Lharakter ihre Festhaltung
an dieser Stelle vielleicht rechtsertigt. Feuerwerk, Fest-
zug und sestliche Stadtbeleuchtung, ein jedes in höchst
umsangreicher und schier verschwenderischer Ausführ-
ung, bildeten die drei Höhen über dem Treiben der
Zubeltage. Das Feuerwerk, das nach der Aus-
stellung einer Rönigsbüfte in der Bavaria-Nuhmes-
halle unter fortdauernden Geschützsalven stattsand, war
im Glauben, daß diese die Sache am schönsten machen,
der Leitung der ersten j)yrotechniker Noms anver-
traut, kostete nach einigen Berichten 60000, nach
andern t 00 000 Nlark, war dementsprechend ein
wahres Schwelgen in seuerwerkerlicher j)racht — be-


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