Neligiös
sMAMAUe religiöse Kunst liegt darnieder" — wer
^MAt^hätte den Rlageruf noch nicht gehört? „Die
Runst liegt darnieder" — man
E^^^Sweist auf den „Unglauben" und „Materia-
lisnms" der Zeit als auf die Gründe der Grscheinung
hin. Die wahrheit des Satzes selbst zu bezweifeln,
fällt wenigen ein. „Die religiöse Uunst liegt dar-
nieder" — die Thatsache wird rechts und links an-
erkannt als etwas Allbekanntes.
„Für einen großen Teil des sDublikums", sagt
Leixner, ein ^chriftfteller von warmem religiösen Ge-
fühl* „beginnt die Religion erst mit dem äußeren
Rultus, und die religiöse Malerei erst dort, wo Sym-
bole die vorgeführten Gestalten als über dem Menschen
stehend erscheinen lassen. Die romantische Schule hat
nicht nur ins gewöhnliche Leben viel schlechten ^>amen
gestreut, sondern auch in die bildende Uunst. Die
Neligion der Romantiker, eines bsardenberg, Brentano
u. s. w. war ein mit vollstem Bewußtsein erzeugter
und genährter Rausch — nicht des Herzens, sondern
des Gehirns. Alles religiöse Leben, welches nur im
kzerzen wurzeln kann, war zum Gegenstand des Ver-
standes geworden, aber nicht als Gbsekt strengen
Denkens, sondern des stüchtigen Spiels. Und wie der
ganze romantische Aatholizismus ein blutloser Schemen
war, so wirkte er im gleichen Sinne auf sene Schule
religiöser Maler ein, welche unter dem Namen ,die
Nazarener' bekannt ist. Sie hob die Gestalten der
heiligen Geschichte hoch über das Ubenschliche, sie
idealisierte sie immer mehr, nahm denselben Blut und
Sein, um ihnen dafür die abstrakte Schönheitslinie zu
geben, kurz, sie vernichtete jede Zndividualität und
schuf Typen, welche durch konventionelles Nachahmen
schließlich zur nichtssagenden Schablone wurden. was
mußte die Folge sein? Daß die Rünstler selbst jenes
ideale Band, welches ein werk der j?hantasie an den
Beschauer dauernd knüpft, zerrissen. Line Zeitlang
bewunderte man die ^chöpfungen dieser Nichtung, und
erbaute sich vielleicht an ihnen, aber mit der eigent-
lich romantischen s?eriode und ihrem beschränkten Ge-
schmack schwand das Alles dahin. Nlan fühlte, daß
Alles nur gewöhnliche Noutine, keine von selbstthätiger
j)hantasie hervorgerufenen F>chöpfungen seien, man
fühlte den Niangel an frischem Herzschlag, und immer
kritischer stellte sich das s)ublikum den hyperidealisierten
Üeiligen gegenüber, immer ungläubiger, bis endlich
an die ^telle jeder religiösen Negung die leise lächelnde
Zronie und zuletzt die vollkommenste Nichtbeachtung
trat."
Nur ein Teil des „j?ublikums" nmchte diesen
Schritt nicht mit und hat ihn noch heute nicht mitge-
macht. Und zwar ein Teil, der für die j)flege der
religiösen Runst ein außerordentlich wichtiger ist: der
Nreis der Geistlichen und der „Nbänner der Nirche" im
engsten F-inne, die für die Ausstattung unsrer Gottes-
häuser mit religiösen Blldern zu sorgen haben. Ts
ist erschreckend, wie wenig die Rirche in ein lebendiges,
segensreiches verhältnis zur Nunst gelangen kann.
^ie pstegt, sie bewahrt allein noch vor endlichem köin-
* ,,Die moderne Aunst und die Ausstellungen der Berliner
Akadenue^, 2. Baud, S. 8-^.
e Ikrunst.
schwinden eine völlig erstarrte, kalte Malerei. Die
„schlanken, überfeinerten, unmöglichen bjeiligen beider
Geschlechter, wesen, die über Alles, auch die richtige
Zeichnung, hoch erhaben sind, die von jDfeilen durch-
bohrt, von Bestien bedroht, oder am Nreuze hängend,
noch immer lächeln und in ihrer ganzen Lsaltung die
akademische würde festzuhalten suchen" — ich schildere
die Nazarener-Gestalten mit den Morten Leixners:
sie sollen dem Dolke zur frommen Trbauung dienen,
sie, diese gekünstelten süßlichen j)uppen, sollen ihm den
Trost ewiger Wahrheiten in die Seele sprechen.
bvir glauben, hier hat wieder einmal ein Schlag-
wort ein Leiden gebracht: das Schlagwort, daß jene
Nazarenerkunst idealistisch sei. Ls giebt in der
Nunst nur einen Zdealismus: den, welcher eine Zdee,
die den Nünstler bewegt, so überzeugend wie möglich
herauszuarbeiten sucht, auf daß sie auch auf die Zuschauer
mit der Rraft des wahrhaftigen Daseins als ein
Lebendiges wirke. Der Zdealismus der Nazarener
— und gar der ihrer Nachfolger — ift aber nichts,
alr ein äußerliches Schematisieren nach Norlagen und
Regeln. Lie suchen ihre Nompositionen dem Auge
als Sinnesorgan durch „schöne Formen" und „schöne
Farben" so wohlgefällig, ihre Nilenschen durch Unter-
drückung alles „Tckigen", „k^äßlichen", Tharakteristischen
so „schön" als mäglich zu machen — es ist ein Zdea-
lismus der pyramidenförmigen Nompositionen, der
Wellenlinien und Seifenblasenfarben, der wohlgelockten
bsaare und edel gebogenrn Nasen. Durchaus nicht
als Gottessohn aus einer Überwelt, der einer trostes-
bedürftigen, friedenersehnenden Nlenschheit die Gnade
des bsimmels spendet, sondern als ein liebenswürdiger,
etwas weiblich dreinschauender sentimentaler junger
Nlann steht ihr Zerrbild der Lhriftusgestalt da zwischen
gleichfalls fchönen, wohlgenährten und vortrefflich er-
zogenen antiken Herren und Damen, die sich stets
höchst „gebildet" zu bewegen wissen. Nnd immer
dasselbe. Zmmer dieselben Farben, immer derselbe
Aufbau, immer dieselben Greise, Nlänner, Frauen,
Nnaben, immer derselbe Augenaufschlag für die An-
dächtigen, dieselbe Niundstellung für die IVeinenden,
dieselbe bjandhaltung für die Anbetenden. Das Alles
von einer Glätte, die dem Laien zunächst gefallen
mag und zur bjochschätzung dieser Art von Runst
möglicherweise beigetragen hat. Dem Runstfreund ist
sie ein Gräuel, denn sie beweist den Nlangel jeder
Ursprünglichkeit auch ihrerseits. IVas sich aus der
Tiefe herauf ringt, steht nicht sogleich sauber und
zierlich da: rauh und hart zeugt die wahrhaft origi-
nale ck>chöpfung des Trnstes von den Nmhen des
Ningenden, der das innerlich Trschaute so, genau so,
zu gestalten suchte, wie es ihm vors innere Auge trat.
U)eil sie das thaten, gerade durch die Unbehilflichkeit
nnd häßliche, aber kennzeichnende und durch und durch
ehrliche Tharakteristik ihrer Formen thaten: deshalb
nicht zum Nlindesten erschienen die deutschen Bilder
den italienischen Nwistern der Nenaissanoe „frömmer",
als ihre eigenen. Die Gaben unserer Nazarener
würden ihnen sebwerlich so erscheinen — unserer
Nazarener, die nicht das Trbe jener Deutschen an-
traten, sondern sich gerade nach der Ztaliener Formen
ihre ck-chab-lonen zuschnitten, unserer Nazarener, die
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sMAMAUe religiöse Kunst liegt darnieder" — wer
^MAt^hätte den Rlageruf noch nicht gehört? „Die
Runst liegt darnieder" — man
E^^^Sweist auf den „Unglauben" und „Materia-
lisnms" der Zeit als auf die Gründe der Grscheinung
hin. Die wahrheit des Satzes selbst zu bezweifeln,
fällt wenigen ein. „Die religiöse Uunst liegt dar-
nieder" — die Thatsache wird rechts und links an-
erkannt als etwas Allbekanntes.
„Für einen großen Teil des sDublikums", sagt
Leixner, ein ^chriftfteller von warmem religiösen Ge-
fühl* „beginnt die Religion erst mit dem äußeren
Rultus, und die religiöse Malerei erst dort, wo Sym-
bole die vorgeführten Gestalten als über dem Menschen
stehend erscheinen lassen. Die romantische Schule hat
nicht nur ins gewöhnliche Leben viel schlechten ^>amen
gestreut, sondern auch in die bildende Uunst. Die
Neligion der Romantiker, eines bsardenberg, Brentano
u. s. w. war ein mit vollstem Bewußtsein erzeugter
und genährter Rausch — nicht des Herzens, sondern
des Gehirns. Alles religiöse Leben, welches nur im
kzerzen wurzeln kann, war zum Gegenstand des Ver-
standes geworden, aber nicht als Gbsekt strengen
Denkens, sondern des stüchtigen Spiels. Und wie der
ganze romantische Aatholizismus ein blutloser Schemen
war, so wirkte er im gleichen Sinne auf sene Schule
religiöser Maler ein, welche unter dem Namen ,die
Nazarener' bekannt ist. Sie hob die Gestalten der
heiligen Geschichte hoch über das Ubenschliche, sie
idealisierte sie immer mehr, nahm denselben Blut und
Sein, um ihnen dafür die abstrakte Schönheitslinie zu
geben, kurz, sie vernichtete jede Zndividualität und
schuf Typen, welche durch konventionelles Nachahmen
schließlich zur nichtssagenden Schablone wurden. was
mußte die Folge sein? Daß die Rünstler selbst jenes
ideale Band, welches ein werk der j?hantasie an den
Beschauer dauernd knüpft, zerrissen. Line Zeitlang
bewunderte man die ^chöpfungen dieser Nichtung, und
erbaute sich vielleicht an ihnen, aber mit der eigent-
lich romantischen s?eriode und ihrem beschränkten Ge-
schmack schwand das Alles dahin. Nlan fühlte, daß
Alles nur gewöhnliche Noutine, keine von selbstthätiger
j)hantasie hervorgerufenen F>chöpfungen seien, man
fühlte den Niangel an frischem Herzschlag, und immer
kritischer stellte sich das s)ublikum den hyperidealisierten
Üeiligen gegenüber, immer ungläubiger, bis endlich
an die ^telle jeder religiösen Negung die leise lächelnde
Zronie und zuletzt die vollkommenste Nichtbeachtung
trat."
Nur ein Teil des „j?ublikums" nmchte diesen
Schritt nicht mit und hat ihn noch heute nicht mitge-
macht. Und zwar ein Teil, der für die j)flege der
religiösen Runst ein außerordentlich wichtiger ist: der
Nreis der Geistlichen und der „Nbänner der Nirche" im
engsten F-inne, die für die Ausstattung unsrer Gottes-
häuser mit religiösen Blldern zu sorgen haben. Ts
ist erschreckend, wie wenig die Rirche in ein lebendiges,
segensreiches verhältnis zur Nunst gelangen kann.
^ie pstegt, sie bewahrt allein noch vor endlichem köin-
* ,,Die moderne Aunst und die Ausstellungen der Berliner
Akadenue^, 2. Baud, S. 8-^.
e Ikrunst.
schwinden eine völlig erstarrte, kalte Malerei. Die
„schlanken, überfeinerten, unmöglichen bjeiligen beider
Geschlechter, wesen, die über Alles, auch die richtige
Zeichnung, hoch erhaben sind, die von jDfeilen durch-
bohrt, von Bestien bedroht, oder am Nreuze hängend,
noch immer lächeln und in ihrer ganzen Lsaltung die
akademische würde festzuhalten suchen" — ich schildere
die Nazarener-Gestalten mit den Morten Leixners:
sie sollen dem Dolke zur frommen Trbauung dienen,
sie, diese gekünstelten süßlichen j)uppen, sollen ihm den
Trost ewiger Wahrheiten in die Seele sprechen.
bvir glauben, hier hat wieder einmal ein Schlag-
wort ein Leiden gebracht: das Schlagwort, daß jene
Nazarenerkunst idealistisch sei. Ls giebt in der
Nunst nur einen Zdealismus: den, welcher eine Zdee,
die den Nünstler bewegt, so überzeugend wie möglich
herauszuarbeiten sucht, auf daß sie auch auf die Zuschauer
mit der Rraft des wahrhaftigen Daseins als ein
Lebendiges wirke. Der Zdealismus der Nazarener
— und gar der ihrer Nachfolger — ift aber nichts,
alr ein äußerliches Schematisieren nach Norlagen und
Regeln. Lie suchen ihre Nompositionen dem Auge
als Sinnesorgan durch „schöne Formen" und „schöne
Farben" so wohlgefällig, ihre Nilenschen durch Unter-
drückung alles „Tckigen", „k^äßlichen", Tharakteristischen
so „schön" als mäglich zu machen — es ist ein Zdea-
lismus der pyramidenförmigen Nompositionen, der
Wellenlinien und Seifenblasenfarben, der wohlgelockten
bsaare und edel gebogenrn Nasen. Durchaus nicht
als Gottessohn aus einer Überwelt, der einer trostes-
bedürftigen, friedenersehnenden Nlenschheit die Gnade
des bsimmels spendet, sondern als ein liebenswürdiger,
etwas weiblich dreinschauender sentimentaler junger
Nlann steht ihr Zerrbild der Lhriftusgestalt da zwischen
gleichfalls fchönen, wohlgenährten und vortrefflich er-
zogenen antiken Herren und Damen, die sich stets
höchst „gebildet" zu bewegen wissen. Nnd immer
dasselbe. Zmmer dieselben Farben, immer derselbe
Aufbau, immer dieselben Greise, Nlänner, Frauen,
Nnaben, immer derselbe Augenaufschlag für die An-
dächtigen, dieselbe Niundstellung für die IVeinenden,
dieselbe bjandhaltung für die Anbetenden. Das Alles
von einer Glätte, die dem Laien zunächst gefallen
mag und zur bjochschätzung dieser Art von Runst
möglicherweise beigetragen hat. Dem Runstfreund ist
sie ein Gräuel, denn sie beweist den Nlangel jeder
Ursprünglichkeit auch ihrerseits. IVas sich aus der
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zierlich da: rauh und hart zeugt die wahrhaft origi-
nale ck>chöpfung des Trnstes von den Nmhen des
Ningenden, der das innerlich Trschaute so, genau so,
zu gestalten suchte, wie es ihm vors innere Auge trat.
U)eil sie das thaten, gerade durch die Unbehilflichkeit
nnd häßliche, aber kennzeichnende und durch und durch
ehrliche Tharakteristik ihrer Formen thaten: deshalb
nicht zum Nlindesten erschienen die deutschen Bilder
den italienischen Nwistern der Nenaissanoe „frömmer",
als ihre eigenen. Die Gaben unserer Nazarener
würden ihnen sebwerlich so erscheinen — unserer
Nazarener, die nicht das Trbe jener Deutschen an-
traten, sondern sich gerade nach der Ztaliener Formen
ihre ck-chab-lonen zuschnitten, unserer Nazarener, die
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