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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 6
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Rundschau
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Weihnachtsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0073

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Grödenern, sie sind zn grell beinalt, zn sehr nberzogen oder
angestrichen mit den ganzen, ungebrochenen Farben; ja nin
dein einsachen Volksgemiit recht zu imponieren, in IVirklichkeit
aber seinen Geschmack zu verderben, sind sie reichlichst mit
polierter Vergoldnng oder mit brillanten 5taniolsarben ver-
sehen. Das gleißt und glänzt nnd blitzt in den Dorskirchen,
daß Einem die Augen übergehen!

Man kann nun zwar dem gegenüber ansühren, daß es in
Zeiten großer Frömmigkeit und einer höheren Aunstübung
auch nicht anders gewesen, daß die zahlreichen Lsolzschnitt-
figuren, welche uns aus dem sünszehnten und sechszehnten
Iahrhundert erhalten, auch nicht anders sich darstellen,
daß sie einerseits, was das plastische Llement betrifft, sehr
realistisch gehalten sind, ja großenteils mit Vcrzicht aus jede
sormelle Körperschönheit, und andererseits vollständig xolychrom
behandelt worden sind. kVenn man aber diese Art Skulptur, ins-
besondere die deutsche, näher betrachtet, so wird man erkenncn,
daß diese bseiligenfiguren allerdings ihre Modelle im gewöhn-
lichen Leben gesucht haben, daß sie dasür aber durchweg in-
dividuell gebildet und mit individuellem Leben ersüllt sind.
Sie sehen allerdings nicht immer aus, wie wir uns die ^eiligen
denken, aber sie leben, sie sind, sie empfinden und sprechen zu
uns. Auch ihre Färbung ist niemals so roh und grell, wie

die der modernen Fabrikstatuen, sie erscheint immer ruhig und
harmonisch. Viel davon kommt zwar aus Rechnung der Zeit,
welche den Figuren patina gegeben hat. Ülber wer es ver-
steht, durch die patina hindurchzusehen, der wird finden, daß
Farbe wie Vergoldung wohl abgewogen sind, daß namentlich
die Fleischteile, Antlitz und Ljände, schon von Ansang zart
und sein bemalt worden. U)ie sehr dies der Fall war, er-
kennt man, wenn man die bemalten ksolzskulpturen des Mittel-
alters und der guten Renaissance mit der nachsolgenden, aus
der Zeit der sinkenden Aunst vergleicht, aus der Zeit, da die
Restauration der katholischen Rirche sich vollzogen hatte, und
nun unter dem Einsluß des jesuitischen Geschmacks die Airchen
sich mit neuem Bilderschmuck ersüllten. wie begann alles in
Farben, Gold, Eilber, Marmor zu gleißen und zu glänzen!
Und wie die Farbe diesen salschen Schein erhielt, so begannen
auch Ausdruck und Geberden salsch zu werden: die Angen
verdrehten sich, „himmelten" in ästhetischer Frömmigkeit, das
Antlitz „schnitt Gesichter", der Leib wand und drehte sich in
konvulsivischen Verzuckungen. Man sieht wiederum, wo das
Gute liegt, wo man nach Vorbildern suchen, wo man lernen,
studieren muß, um der heutigen religiösen volkskunst wieder
den rechten Geist einzuhauchen.

Iakob von Falke. I

Meidnac

Wraunscbe Obotograpbieen als Limrnerscbntuck.

— werke der vervielsältigenden Aunst werden immer einen vor-
nehmen Zimmerschmuck bilden, wo sie dekorative wirkung
überhaupt besitzen (wie ost in hohem Grade die Radierungen
der modernen Technik), und wo sie nicht „Löcher" in der Far°
benwirkung erzeugen (also zum Beispiel auf den hellen, wenig
behangenen wänden der Arbeits- und Lesezimmer). Einen
wohlseilen und doch schönen Ersatz sür ihre häufig sehr kost-
baren Blätter giebt den minder Bemittelten neuerdings die
sdhotographie. Ich sage „neuerdings", denn bis vor Rurzem
waren ihre „Ainder der Eonne" noch sehr unerzogene wesen,
die vor allen eine Rnart liebten: sie logen. Sie logen salsche
Farben, indem sie aus Dunkel bsell machten und umgekehrt.
Altersbraunen Gemälden gegenüber verweigerten sie auch nicht
selten ganz den Dienst. Und schließlich thaten sie das Schlimmste
von Allem: sie verblaßten vor dem Blick ihrer himmlischen
Mutter. All diese Rindersehler sind der sdhotographie jetzt
abgewöhnt. Und zu denen, die sich nm solche Lrziehungsarbeit
am meisten verdient gemacht haben, gehört der Braunsche
Runstverlag in Dornach. Ls ist Zweck dieser Zeilen, die-
jenigen, die noch wenig von ihm wissen sollten, aus den über-
aus reichen Schatz auch als Schmuck höchst wertvoller Blätter
hinzuweisen, die er herausgegeben hat. In seiner Tönung
gestimmt, sich abhebend von einem bläulichen Aarton, dessen
Färbung nach jener der ausgeklebten Photograxhie leis abge-
schattet ist, entbehren diese Blätter selbst einer Farbenwirkung
nicht. Stücke, wie die khalbfigur der Sirtinischen Madonna,
wie die Mona Lisa des Lionardo da vinci, ganz besonders aber
die herrlichen alten jdorträts, von denen ich das Dresdner Brust-
bild eines alten Mannes von Rembrandt (Aatalognummer t3i9)
ganz besonders hervorheben möchte, sind, etwa in gebeizten
Lichenrahmen gesaßt, auch als Schmuckstücke von kräftiger,
ruhiger und edler wirkung. Da zudem nicht zur Lrzeugung
xlumper Lffekte die Formen vom Retoucheur „verbessert" sind

— eine leider Gottes noch immer selbst von tüchtigen Photo-
graphen gern geübte Unsitte, die dem seichten Geschmacke der
„großen Menge" entgegenkommt — so hält die Freude an
den Sachen vor: statt daß wir ihrer überdrüssig werden, offen-
baren sie uns immer seinere Reize. In der jüngsten Zeit ist
übrigens der Braunsche Derlag auch mit großen sdhotogra-
vüren vors jdublikum getreten, von denen uns einige vor-

i liegen. Uns will es bedünken, als hätt' er hier gut gethan,
in höherem Grade verschiedene Lärbungen anzuwenden, als es
geschehen. Sollen Rembrandts kjelldunkel im Interieur und
die Freie-Lust-Malerei eines modernen Franzosen charakteristisch

^ zur wiedergabe gelangen, so bedarf es dazu, glauben wir,

btsscdau.

stark verschiedener Druckfarbe, nicht nur verschieden getönter
jdapiere, ohne daß deshalb ein sdhotogravürenalbum auszusehn ^
braucht wie eine Sammlung von Buntpapierproben. Das
schönste unserer Probeblätter ist Ruysdaels „Morast" aus der
jdetersburger Lremitage: wir habeu nie Nachbildungen Ruys-
daelscher Landschasten gesehen, die mit so köstlicher Frische
uns das werk selber vors Auge stellten. Landschastliches,
srei Luft, wolken scheinen überhaupt auf den Braunschen ^
jdhotogravüren am vollendetsten zur wirkung zu kommen. Ich
kann mir's nicht vorstellen, daß die jdhotographie ein Bild,
wie das ^agborgsche aus dem Strandleben, annähernd so
trefflich wiedergeben könnte.

Ammcnscc. Don Theodor Storm. Mit 2Z bselio-
gravüren nach w. kjasemann und Edmund Aanoldt.
Leixzig, Amelang. M. 20. — Storm ist einer der wenigen,
deren Dichtungen kräftiger und voller geworden sind, je älter
der Dichter ward. Dennoch hat er vielleicht mit keiner so
das Lserz seines Dolkes berührt, wie mit dem älteren „Zmmen-
see", dieser schlichten, edeln und rührend keuschen Schöpfung
einer schwermütigen Seele. Die vorliegende Ausgabe ist ihres
Ersolges gewiß. Aanoldts landschastlichen Bildern dient es
hier, daß sie die Natur so wenig „naturalistisch" behandeln, wie
der Dichter so seinen Stoff behandelt hat: denn um so besser
sügen sie sich der musikalisch-lyrischen Stimmung ein. ksase-
mann hat diejenigen Blätter gezeichnet, aus denen die mensch- I
lichen Gestalten zu schildern waren. Man ersieht ans ihnen,
wie ties sich der Maler in den Dichter hinein gefühlt, sieht es, wie
er mit seinen Gestalten ohne Zuthat die Menschen wiedergeben
wollte, deren Gestalten dem Dichter bei seiner Arbeit vor-
geschwebt. Ihre seelische Reinheit sxiegelt er einsach und klar.

Vuul und lilirginic. Von Bernardin de Saint-
jdierre. Zllustriert von M. Leloir. M. t6. — wir können
über dieses werk des gleichen Verlags nicht ebenso günstig
berichten. Dersuchen wir nicht zu xrüsen, ob die Zeit dieser
Dichtung nicht dahin ist, trotzdem sie sich noch der Beliebtheit zu-
mal bei der Frauenwelt erfreut, — da sie auf das geistige Leben
eines Volks sicherlich nicht mehr einwirkt. Betrachten wir nur Leloirs
Bilder. Eie sind höchst geschickt gezeichnet, zart, graziös, gut
komponiert, nnd ich möchte ihre Gestalten nicht geziert nennen,
da manche Bewegung, die bei Deutschen eine gezierte wäre, beim
beweglichern Romanen eine ganz naive sein kann. Aber es
sehlt diesen Bildern die Znnigkeit, und Lmpfindsamkeit
tritt an ihre Etelle. Mir scheint: vor hundert Iahren zugleich
mit dem Echriftwerk entstandenj wären diese Bilder vielleicht
zu loben gewesen, denn sie hätten damals ursxrünglich sein
können. Von einem Rinde unserer Zeit geschaffen, machen sie

ls
 
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