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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 24
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Rundschau
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Vom Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0358

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erinnere ich mich, wo gerade der Gegensatz zwischen
dem imposanten Lsauptschiff und den stillen Andachts-
werkstätten zu Seiten so stimmungsvoll wirkt. Reine
Stilrichtung findet an solcher Anlage ein Lsindernis."
Sie erscheint aber bei kleinen verhältnissen auch ästhe-
tisch vorteilhaster, als die gebräuchliche. „viele unserer
neuen Rirchenbauten wirken von außen in der Masse
und in der Silhouette ganz gut. Tritt man aber in
die Rirche ein, so harrt unser meist eine Lnttäuschung:
Die Aaumwirkung ist klein, die Formgebung ängstlich

Vom

* Über das protektienswesen unter den Zeitungs-
leuten bringt die ,,5christst.-Z." einen sehr scharsen Aufsatz
von Gskar Linden. „Namentlich in lVien, wo das gesamte
litterarische Leben in gewissen Lsänden sich befindet, hat die
protektionswirtschaft Redakteure gezüchtet, deren Kenntnisse
kaum über die Ebene des Gewöhnlichen hinausragen. In
vier Zeitungen befinden sich zwölf Redakteure, welche insge-
famt zu einer einzigen Familie gehören und fo mit ein-
ander verfchwägert sind, daß man in den Verwandschaftsver-
hältnissen sich kaum noch zurechtfinden kann. Ls ist geradezu
eine Zuchtwahl von Redakteuren thätig, und unter ihnen be-
finden sich Büblein von bis t8 Iahrenl" Grund:
irgend ein Redakteur will einem Verwandten ,,eine Zukunft
gründen", und die Iünglinge sind ja zudem auch billige Ar-
beitskräfte. Der Verfasser greift fogar die vielgefeierte Iour-
nalisten - Vereinigung „Loncordia" an. §ie, ,,die immer an
der 5pitze marschiert, wenn es gilt, für sich und ihre Mit-
glieder jdropaganda zu machen, follte von diefer Art und IVcise,
wie man Redakteure »macht«, keine Ahnung haben? Die
verlotterung, welche die jdresse kennzeichnet, hat ja auf diesem
Boden die ersten lVurzeln gefaßt. !Vas kümmert es die
kserren, wenn im Geheimen ksunderte den Stand mit aller-
lei fchmutzigen ksandlungen in den Augen Linzelner herab-
fetzen, wenn nur in der Dffentlichkeit die Fahne hochgehalten
wird!" „Als vor etwa drei Iahren in der »Loncordia« die
Frage eines 5tellenvermittelungsbüreaus für Iournalisten an-
geregt wurde, da war sofort eine starke Mehrheit da, welche
diefen Antrag einhellig niederstimmte. Durch die Lrrichtung eines
derartigen Instituts wäre ja ihrer Protektionswirtfchaft der
Garaus gemacht worden." Der wackere Freund Schlendrian
sei auch hier der Genosse der Lumperei.

» Als das verdienst der modernen Naturalisten unter
den Dichtern bezeichnet Rarl vollrath in der „Bresl. Z." eine
Gebietserweiterung der Runst. Dem Glauben jener
„Iüngsten", der Natur als Lrste unbefangen gegenüberge-
treten und dadurch zu einer ganz neuen Art des Runstfchaffens
gelangt zu fein, greift er an. Aber „sie haben, um es kurz
zu sagen, es unternommen, für die Litteratur dcn vierten
Stand zu erobern. Ihr Bestreben hat darum eine so
große Berechtigung, weil sie die innere Notwendigkeit der
Verhältnisse für sich haben. lvie im Zeitalter der französischen
Revolution der dritte 5tand sich xolitisches Bürgerrecht erwarb,
wie in weiterer Folge der Lntwicklung in unseren Tagen der
vierte 5tand eine politifche Rolle übernommen hat, die den
Gesetzgeber zwingt, mit diefem gewichtigen Faktor auf Schritt
und Tritt zu rechnen, fo pocht diefer vierte 5tand nunmehr
auch an die pforten der Litteratur und Kunst, und den Ein-
laßbegehrenden öffnen die »Realisten« und die noch ungestümeren
»Naturalisten« die Thür. Und da haben wir die Arbeiter-
romane lNax Rretzers, der zu beweisen kommt, daß es auch
bei den »Lnterbten« reichen Etoff für die Gestaltungskraft der

und der Gesamteindruck unbefriedigend." „Es fehlt
durchweg ein Zug der Größe: man unterteilt einen
Raum mit Stützen, die im Znteresse einer großen
Znnenwirkung besser weggeblieben wären." Auch
deshalb spricht der verfasser dafür, „den Raum
zusammen zu halten": „Rleine Nebenräume geben
dann malerische Abwechselung, günstige Schatten-
wirkung und den geeigneten Rlaßstab zur Beurteilung
des lfiauptraums."

Tage.

Dichter giebt. Da haben wir eine wilde Lyrik von jungen
Stürmern und Drängern, die sich in versen Luft macht, welche
man im Zeitalter des Sozialistengesetzes nicht gern in der
Zeitung nachdruckt, weil man an gewissen Stellen mißver-
standen werden könnte."

» In Nünchen hielt derDeutsche5chriftsteller-ver-
and in den ersten Eeptembertagen seine Iahresversamm-
lung ab.

Als wir L. ksartmanns Betrachtungen über „B ayreuth"
aus der „Eächs. Ländcszeitung" wiedergaben (Kw. 20), fprachen
wir auch unsere Lrwartung aus, daß eine Lrwiderung auf
sie nicht ausbleiben werde. Nun finden wir eine Lntgegnung
in einem offenen Briefe Arthur Seidls in der Leßmannschen
Musikzeitung. Teidl fpricht zunächst gegen Lsartmann den
vorwurf aus, daß er die Echriften lvagners felbst zu wenig
zu Rat gezogen habe. „Mder fpricht der Meister in den
Schriften feiner fpäteren Periode nicht immer und immer
wieder von der fo notwendigen Ifolierung feines Runstwerks,
von der weltabgefchiedenen Lntfernung und verfetzung des
Festspiels aus dem tumultuarifchen kvelt- und Großstadtge-
triebe fogenannter »Runst - Metropolen« in einen deutschen
»lvinkel«, in den stillen, leidenfchaftslosen Frieden eines abge-
legenen Städtchens von gesunden und unverdorbenen Bitten?
Ls ist wahr, das Sempersche Modell für Nünchen steht fest
und ist als einmal beabsichtigt nicht im Geringsten wegzu-
leugnen, lvagner hat, getragen von der Gunst des königlichen
Freundes, geblendet von dessen hochherzigem Runstsinn, die
geniale und kühne Sempersche Idee eines die fchöne Brienner-
stkaße abfchließenden architektonischen Nonumentalbaus für
feine und nationale Festfpiele mit Begeisterung aufge-
griffen; und auch darüber besteht wohl keinerlei Zweifel,
daß die Bayreuther »Backstein-Bude« leider weit hinter der
lvürde des echten, ursprünglich geplanten Bühnenfestspiel-
haufes zurückbleibt. Aber man lefe erst einmal tiefer in
lvagners 5chriften und prüfe zum Überfluß das Münchener
Runstleben und den innersten Lharakter der Münchnerifchen
»Bierokratie« auf feinen letzten Gehalt: fo wird man gewiß,
weit entfernt, in dem Namen Bayreuth und seinem Bühnen-
»Tempel« nur einen leidigen Rompromiß mit der unvermeid-
lich-fatalen Realität zu erblicken, in Bayreuth vielmehr eine
befonders glückliche Fügung in dem Gefchicke des Rünstlers
erkennen, welches ihm erst die rechte und wahre vollendung
feines Ideals ermöglichte." In dem großen Lrfolge der
„Meistersinger" während der heurigen Festspielzeit sieht Seidl
den erneuten Beweis dafür, „daß ein kvagnersches lverk nur
erst einmal auf diese geweihten Bretter gebracht, mit feinen
kvurzeln auf Bayreuther Boden verxflanzt zu werden braucht,
um erst hier fein eigentlichstes Leben auszuleben, feine Ge-
burt, oder wenigstens seine wahre Auferstehung zu feiern."

x Iaxan hat nun auch ein Gefetz zum Schutze der musi-
kalifchen lverke.



Is

-s
 
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