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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 23
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Sprechsaal
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Aus der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0346

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S1

Das liegt aber daran, daß wir weibliche Empfind-
ungen nicht durch männliche Stimmen gesanglich aus-
drücken können, und nicht daran, daß jene Lmpfind-
ungen die eines Lmzelwesens sind. Der unbefangene
Zuhörer härt im Lhore nur eine tönende D7enschem
seeke, nur die Menschenseele, wenn man will, und

denkt nicht an eine Vielheit von j?ersonen, wenn solche
nicht durch das Gegeneinander oder Zneinander ver-
schiedener Stimmen vom Romponisten gekennzeichnet
wurde, wie fa der Aomponist andererseits auch den
widerstreit von Gefühlen in einer einzigen sserson
durch solche Mittel darstellen kann.

A. Benfey-Schuppe.

Nus der Vüclierei

Fübrer durcb den Ikonzertsaal von Lferrmann
Aretzfchmar. (Leipzig, A. G. Liebeskind.) z. Abteilnng:
Symphonie nnd Suite; 2. Abteilnng, t. Teil: Rirchliche N)erke:
Passionen, Nessen, sdsalmen, Notetten, Aantaten. — Ein
ebenso geist- wie gemütvolles Bnch in handlichem Format,
gnter Ausstattung, hübschem 5atz und forgfältigem Druck!
2o recht ein Ausdruck unseres modernen Aonzertwesens, aber
doch nicht zugleich ein Dxfer der unaufhörlich hin- und her-,
unruhig auf- und abwogenden Musikströmungen nnserer Zeit,
geschweige denn ein Tendenz-Programm irgend einer der be-
stehenden Musikparteien, ganz befonders wertvoll durch seine
strenge historifche Tachlichkeit und die widerspruchslose Alarheit
des Oortrages, vereinigt es in sich alle Eigenschaften, um
zu einem unentbehrlichen „Tieerone" zn werden. Aaum ein
kVerk, das irgendwie ständig auf unseren Aonzertprogrammen
anzutreffen, ist vom verfasser übergangen worden, nnd über
Liniges unserem Aonzertrepertoire leider noch nicht Tinver-
leibte (zmneist Aompositionen älterer Meister), heißt es im
Vorwort zum zweiten Bande treffend: ,,Der Teser sindet m
dieser Abteilnng eine nicht geringe Zahl von Aompositionen
in Betracht gezogen, welche der Gffentlichkeit unbekannt, un-
gedruckt, zum Teil auch schwer zugänglich sind. U)er weiß
aber, ob sich dieses Verhältnis nicht bald ändert. Unsere
Thor-Vereine greisen immer tiefer in die Schätze der älteren
Annst hinein, nnd die Bibliotheken nnserer guten Musik-
schulen streben von Tag zu Tag mehr nach Vollständigkeit."
So ist das Buch zu einer kleinen Geschichte der einzelnen hier
zu behandelnden Musikgattungen geworden, welche in verdienst-
lichfter lVeise ,,alle Fragen nach den Uauptwerken und den
ksauptvertretern der vergangenen sserioden beantwortet."
Man dars dem Trfcheinen der bisher ausstehenden Bände,
welche voraussichtlich (im 2. Teil der 2. Abteilung) das Gra-
torium und die weltl. Lhormusik, (in der 3. Abteilung) das
Gesamtgebiet der Aammermusik (Sonate, Trio, Guartett
usw., Aonzert usw.) behandeln werden, mit einiger
Spannung entgegen fehen. Die verlagshandlung hätte keine
berufenere Feder zur Ubernahme der mit diesem Thema ge-
gebenen, mühevollen und fchwierigen, aber gewiß auch dank-
baren Aufgabe gewinnen können! j)h.

Ferdinand David und die Famtlie/Ildendelssobn-
Nartboldp. Aus hinterlassenen Briefschaften zusammenge-
stellt von Iulius Lckardt. (Leipzig, Duncker öc kfumblot.)
— Nanches in diesem Buch tritt in eine eigentümliche Be-
leuchtung, wenn man es dem jüngst über das Verhältnis
Mendelssohns zu Immermann von Fellner Veröffentlichten
gegenüberstellt. Schon gelegentlich der lferausgabe der Schu-
mannschen Briete im vorigen Iahre wurde treffend darauf
hingewiesen, wie oft, wie angelegentlich und wie rückhaltslos
anerkennend diefer Meister Mendelssohns in seinen Briefen ge-
denkt, wie selten hingegen dieser an dem Schaffen und den
künstlerischen Beftrebungen Schumanns Anteil bekundet, ja wie
sich in seinen vielen Briefen kaum e ine wohlwollende oder
I sonst bedeutende Äußerung über jenen stndet. Auch nach der

ungemein sorgfältig und gewissenhaft gearbeiteten Fellnerschen
,,Geschichte einer deutschen Musterbühne" erscheint Mendelssohn
in einem merkwürdig ungewissen, chamaeleonartig schillernden
Lichte. „Mendelssohn hat sich in der Theaterangelegenheit und
gegen mich wie ein 5chuft benommen" — schrieb Immermann,
eine vortreffliche und tüchtige, wenn anch etwas gröbkörnige
Natur, an seinen Brnder. Und nun erscheint ein Buch, das
uns nicht nur von dem Rünstler Mendelssohn (wie das
Vorwort ausdrücklich bekennt: mit voller Abficht) ein durchaus
schattenloses Bild entwirft, sondern auch Mendelssohn, den
Menschen, auf ein jAedestal von kseiligkeit nnd Vollkommen-
heit erhebt. Mnß da nicht ein 5atz aus des Meisters eigenem
Munde einen bösen Beigeschmack erhalten? Iener, den der
kjerausgeber vorliegender Briefe feiner Tammlung gleichfam
als Notto vorangehen läßt: „Überschätzt mich nur ein bischen
— die andern Leute bringen das durch Unterschätzung wieder
ein!" — Übrigens dürfen wir Inlius Tckardt in Tunis unfere
Anerkennung nicht versagen sür den gnten „verbindenden
Text," mit dem er die zerstreuten Brieffchaften aneinander
gereiht hat, in Sonderheit für die vortreffliche und lebensvolle
Schilderung der Berkiner und Leipziger gesellfchaftlichen und
künstlerifchen Zustäude von „uuuo dazumal", durch welche die
Trscheinung von Ferd. Davids jdersönlichkeit erst ihren rechten
kfintergrund erhält. Daß wir Lckardt zu all seinen gekegent-
lichen Äußernngen beistimmen, ist mit diesem Lobe ja noch
nicht gesagt. j)h.

Älterc Silberarbetten in den Iköntgltcben Lamm-
lnngen zu Tassel. Mit nrkundlichen Nachrichten und einem
Anhang: Der kfessen-Lasselsche Silberschatz zu Anfang des
siebzehnten Iahrhunderts und seine fpäteren Schickfale. kseraus-
gegeben von L. A lh ar d v o n D r ach. 2Z Taseln in Licht-
druck nach den Aufnahmen von Ludwig Bickell. (Marburg i. kfi,
N. G. Llwert, drei Ausgaben von Z6—60 !N.) — Line jener
höchst gediegenen, ohne Lcheu vor mühsamster Arbeit und ohne
Scheu vor — Aosten geschaffenen Monographien, die für die
Geschichte der Aunst und des Aunsthandwerkes unferer Alt-
vordern tragkrästige Bausteine herbeischaffen. !Vas geboten
ist, sagt der Titel in genügender Alarheit. ... wie es ge-
boten ist, fachlich zu besprechen, ginge nicht an, ohne daß mit
kunstgeschichtlichem Apparat weit über den Rahmen des Blattes
hinans in die Forschungsgebiete der „Spezialisten" hinein ge-
fchritten würde. !Vir müssen nns damit begnügen, hervor-
zuheben, daß die für jeden Aunstsreund interesfanten Licht-
drucktafeln vollkommen gelungen sind, und daß der für den
Fachmann fo wichtige Tert von mnstergiltiger Zorgfalt zeugt.
Für den Fall einer freundlichen Aufnahme der vorliegenden
veröffentlichung beim jdublikum ist vom kferansgeber zunächst
ein zweites kfiÜ in Aussicht gestellt, das die astro-
nomischen Aunstuhren Landgraf lVilhelms IV., „die ihrer
prachtvollen äußeren Ausstattung wegen auch zn den 5ilber-
arbeiten gezählt werden können", in ähnlicher Weife be-
handeln foll. M.
 
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