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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 6
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Klencke, Hermann: Vom Humor
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0068

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iT

Vom Duinor

bsumor ist das Gegenteil von Gnergie;
^umorist ist nie ein thatkrästiger Lserr,
^^MWnie ein L)eld!" — so sagte zu mir auf der
E^^WlL^aturforscher-Versammluug eiu berühmter
s)sycholog. Ist das wahr? Ich behaupte, die Heldeu
des Gedaukeus uud der That, wie Luther, Lromwell,
Friedrich der Große, Bismarck, sie habeu zumeist
eiuen gesuudeu Liumor uud rückeu uns dadurch meusch-
lich uäher. „s)a, glaubeu Sie," erwiderte mein ge-
lehrter Rollege, „daß Alerander der Große, Laesar,
Napoleon der Lrste l^umor besaßen? Napoleou war
sicher kein k^umorist uud von 2llexander dem Großeu
und Laesar wird auch uichts berichtet uach dieser
Seite. Nud bemerkeu Sie im alltäglicheu Leben uicht,
wie man zwar mit eiuem bsumoristeu gern ißt, triukt
uud spaziereu geht, ihu aber schwerlich zum Stadt-
verordneteu oder iu deu ^aud- uud Reichstag wählt?
Lr will auch gar uicht gewählt seiu. Uud wer ver-
traute sich seiuer Lühruug im Nriege an? Lalstaff
als Gffizier! wer alle seine Rräfte au eiu Ziel
setzt uud feden Nerv auspauut, um deu IViderstand
siegreich zu überwiudeu, in desseu Geiste ist keiu s)latz
für den Lsumor."

Gewiß: iu solchen Augeublickeu uicht. Aber da
habeu wir's fa — die alte Verwechslung vou spaß-
macheudeu Romikeru uud echteu ^umoristeu, eiue Ver-
wechsluug, die uicht uur uuser Tagesgespräch beherrscht,
souderu auch uusere Zeituugeu uud uusere Rritik, dis
z. B. im trostlosesteu ^ustspiel-Uusiuu k^umor zu
fiudeu glaubt. Gewöhulich ist uur uiedere Romik
dariu, bessereu Falles lVitz, Gumor so gut, wie uie.
Witz, der zerstöreude Gesell, der das schöue Gewaud
der Natur zerreißt, um sich aus deu ck'tückeu eiue
Zacke zu flickeu, uicht Humor, diese Vereiuiguug vou
Lebeuserfahruug und Zugeudfrische, dieser lächelude
Schalk mit der Thräue des Aütleids im Auge. Lsu-
mor ist eiue edle, freie Stimmung. Lsumor kauu auch
bei eiuem bseldeugeiste durchbrecheu iu fl)ausen der
2lrbeit, in Augeublicken der Nuhe uud Lrholuug uud
dem Aämpfer wie iu eiuem Spiegelbilde das gauze
irdische Leben und Streben zeigeu iu seiuer irdischeu
Beschräuktheit und Armseligkeit. wie eiu seliger Geist
seiues Lebeus wallfahrt überblickt, befreit von der
Angst des Zrdischeu, so sieht der Lsumor das Leben
an. wie wir eineu Ameisenhaufeu betrackteu mit
seiuer rastloseu und zielbewußteu Geschäftigkeit, — iu-
teressaut? fa! eiu Bild uuseres Lebeus und Treibeus,
und doch köunte eiu Fußtritt vou uns das gauze Ge-
wirr vernichten!! — so fieht der ^umor das eigne
IVeseu, das Treiben der Meuschen selber an. Zu-
teressaut? ja! Nud auch uötig zum Lortschritt der
A'leuschheit, aber im Gauzeu doch uicht im Staude,
unser ganzes Sein zu erfülleu uud zu befriedigeu.
IVir fühlen uus im chuiuor als deu Teil eiuer höhereu
Macht, uuzerstörbar durch all diese Rämpfe, uuab-
änderlich iu Glück und Leid, uuverletzlich wie die
Abafestät.

So ist wohl auch uuser ^treit geschlichtet?

tVenn mau uuter eiuem ^umoristeu eiuen Aiaun
versteht, der uichts erust uimmt, der mit alleu Diugeu
spielt und uur immer über deu Diugen in Zuteresse-
losigkeit uud Geistesfreiheit steht uud steheu will, so

kauu solch eiu „bsumorist" freilich keiu kseld des
Gedaukeus oder der That sein uud werden. Lr
eutspricht aber mehr als dem Begriff des Humors
deiu der Zrouie, wie sie einst die romantische ^chule
als Gruudpriuzip , als Rern ihrer Lebeus - und
Ruustauschauuug der TVelt verküudete. Nach ihr
steht freilich der Nlensch über deu Diugeu, uach ihr
kaun er iu souveräner Ivillkür mit ihneu Faugball
spielen uud der ganzen Melt ein ^chnippcheu schlageu —
als wahrer Rüustler. Der romantische Zrouist will
gar uicbt arbeiten au deu Dingeu der bvirklichkeit,
um sie zu seinem Zdeale zu verkläreu, er ist über
das „gemeiue Lebeu" uneudlich hiuaus uud treibt mit
ihm seiu phantastisches Spiel. Nicht uur Röuigiu ist
ihm die fichautasie, soudern Despotin.

Sowohl der Rüustler, als der handelude Nteusch
braucht aber uicht diese auarchische Zrouie, welche
die Diuge dieser TVelt gewissermaßeu als schlechte
TVitze eiues souderbareu Zeus uud kVeltmachers an-
sieht. Die Freiheit freilich, die uus nicht iu der kVirk-
lichkeit ersticken läßt, die braucheu sie beide. Nicht
die Zrouie giebt sie ihneu, wohl aber der Humor,

! der sich selber mit irouisiert uud uicht uur geuießen
will, souderu auch arbeiten au der Lvelt. Nur
wird ihm diese Arbeit uicht zu eiuem ruhloseu Zagen
uach dem Lohu: sie wird uuterbrocheu durch heitre
Rritik der Tvelt und seiuer selbst, sie wechselt mit der
Rast uud dem Spiel. Ivie der Zimmermauu, der
eiueu Balkeu behaut, eiumal die RRitze lüftet, ruhig
aufatmet uud dem rosigeu Bubeu, der die Spähue
aufliest, lächelud über das lockige Riudshaupt streicht.
Der bsumorist weiß, daß er zu dieser kvelt mit seiuem
Leibe gehört uud selbst deu Gesetzeu der Natur uuter-
thau ist, aber er weiß auch, daß der Geist iu Freiheit
diese Gesetze auerkenut uud sich zu eigeu macht, weiß,

! daß diese Gesetze uicht fremde Ukase siud, souderu im
bveseu der Diuge begrüudete und uotweudige —uot-
weudige!

Der irouische Rüustler im Siune der Romautik ge-
rät iu die Gefahr der j?hantasterei uud Uuwahrheit:
seiue Schöpfuugen werdeu leicht überspauut, verzerrt,
kraukhaft. Der Rüustler aber, der echten l)umor im
Leibe hat, lebt uicht iu lvolkeukukuksheim, sonderu auf
der Lrde. Lr bewegt sich uuter seiueu Schöpfungeu
wie eiu liebeuder Vater uuter seiuen Riudern, uicht
wie eiu Marionettendirektor unter seiuen si)uppeu.
lvohl spielt er lächelnd mit ihueu, uicht aber gleich-
giltig: er achtet iu ihueu die s)ersöulichkeiten uud
seiu eigeu Fleisch uud Blut.

lvie uuu im Leben in Augenblickeu der höchsten
Auspannung keiu j?latz für deu ^umor ist, so ist auch
iu der Ruust des reiueu Schöuen keiu jDIatz dafür.
Dort ist Lseldeutum, hier die erhabeue Ruust.
Das siud aber lsöheupunkte, 2lugeublicke thätigster
Steigeruug der meuschlicheu Rraft, uicht ZVeltan-
schauuugeu, uicht Lebensstimmuugeu. 2lls lveltau-
i schauuug ist die glücklichste und höchste der ^umor,

; der uicht das Fleisch kreuzigeu will, damit der Geist
i alleiu herrsche, der aber auch uicht den Geist
! verleuguet, damit sich das Fleisch in niedrer Behag-
lichkeit breit mache. Zu uuserer Lebensstimmung solleu
wir weder Dou Grüxote ^iu, der in seiuer uueigen-
 
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