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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 15
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Rundschau
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Vom Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0214

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Ikunstdandwerk.

» Die Avnnkgeräte, wie sie in unsern wohnungen
jetzt beliebt sind, unterzieht L. Gurlitt in seinem
Buch „ Im Bürgerhause" einigen Betrachtungen.
Bei selten und zu feierlicher Gelegenheit benutzten
Gegenständen findet er eine kunstmäßige Bildung in
der Ordnung, selbst, wenn die praktische verwendung
dadurch beeinträchtigt wird. „Darum hatten denn
auch die alten Meister nicht Unrecht, wenn sie aus
Taufgeschirren und Wonstranzen, auf Abendmahlkelchen
und Lhrenbechern bedeutungsreiche Darstellungen an-
brachten und sich nicht scheuten, dieselbeii in der hohen
Aunst nahe verwandte Beziehungen zu bringen. Da-
rum kann man sie auch nicht eben verurteilcn, wenn
sie die praktische Verwendbarkeit teilweise nebensäch-
lich behandelten. Anders aber ist es mit den Dingen,
welche zumeist das heutige Runstgewerbe zur Zimmer-
ausstattung herbeibringt. Da kommen zunächst die
Nachbildungen der alten, für besonders friedliche Zwecke
geschaffenen Becher und jDokale, bsumpen und Trink-
hörner, welche die Formen derselben leidlich wieder-
geben, aber keiner besonderen festlichen Veranlassung
zu dienen haben, welche vielmehr meist für den Zweck,
für das Trinken, völlig unbrauchbar sind und doch
eine Gebrauchsform haben. So ist eine solche Nach-
bildung eines alten Gefäßes in ,cuivre polü oder sonst-
welchem minderwertigen Stoffe einfach eine Geschmack-
losigkeit. Die Museumsleiter, welche ihre Griginal-
gefäße den Galvanoplastikern in die i^and gaben,
wollten Dorbilder für neue, eigenartige Lrzeugnisse
beschafft sehen, nicht aber die welt mit völlig
verfehlten Dingen erfüllen, welche zwar eine zweck-
mäßige Form, aber keinen Zweck haben. Solche

Sonderbarkeiten zu erzeugen, an solchen Dingen sich
zu freuen, war erst uns aufgehoben. - Nicht zu-
frieden mit der bequemen Nachbildung der Alten, be-
gann man eine eigene Aunst daraus zu machen, Dinge
zu schaffen, welche nur scheinbar benutzbar sind . . .
Unsere Zimmer sind voller moderner Dasen in antiken
oder chinesischen Formen, in welche man keine Blumen
stecken kann, voller Teller, von denen man nichts zu
essen beabsichtigt, voller Schüsseln, in denen man nichts
darbietet, voller bjumpen, aus denen man nichts trinkt."
Aein anderes Land, erkärt Gurlitt, hat so viele „INu-
seumsstücke" nachgebildet, wie Deutschland. Sie ver-
drängendieeigentlicheAleinkunst. Denn,,werkauft
bei uns eine Bronzesigur, eine gute Nippsache aus
s)orzellan, eine jener Buchsbaumschnitzereien, welche
früher beliebt waren, wer kauft Aquarelle, wer hat
Sinn für die Leinheiten des Rupferstichs oder der Na-
dierung, wer füllt das Zimmsr mit kleineren Runst-
werken, solange ihm die Trwerbung der großen ver-
sagt ist?" lVill man kunstgewerbliche ^achen solchen
vorziehen, nun wohl, so seien es wenigstens „Dinge,
die einen Gebrauch sinden können, nicht unnützes
Zeug. Man bereichere seinen Vorrat an Geschirr
und Gläsern, an Silber und Zinn durch einige be-
sonders geschmückte, doch dem Gebrauch angemessene
Gegenstände und stelle diese aus." Wer aber jene
Dinge nur zum Schmuck kaufen will, der wähle lVerke
der wirklichen Aleinkunst. „<Lr wird damit sich, wie
auch der Aunst im Allgemeinen einen größeren Ge-
fallen thun, als wenn er sich seine Zimmer mit un-
echtem Altertum, mit zwecklosem Geräte füllt. Gder er
kaufe wirklich Altes, das man als Sehenswürdigkeit,
seiner Aunstform, wie feiner besonderen Beziehungen
willen, betrachten kann."


Vom

Am 25. April feierte Iulius Grosse seinen sechziqsten
Geburtstag. Dein großen Publikum hauptsächlich durch feine
Profa-Romane bekannt, errang er fich eine dauernde Stellung
in nnferm Schrifttum auch durch feine zahlreichen dramatifchen
kverke, feine Lpen in versen und seine lyrischen Gedichte,
unter welch letzteren einige von eincr Kraft und Tiefe der
Anfchauung und Lmpfindung zeugen, die fie den fchönsten
Schätzen der deutschen Lyrik überhaupt an innerem werte
nähert. Grosse lebt als Generalsekretär der Schillerstiftung
in Miinchen.

» Lin „internationaler sdreßkongreß" wird Mitte
Iuni in München tagen.

Goethes „chermann und Dorothea" hat ein gelehrter
kherr ins Altgriechifche übersetzt! Man ladet zur 5ub-
fkription ein. „Schade, daß keine alten Griechen mehr leben",
ineint die „Frf. Z." dazu, „sie würden wohl lebhaft zeichnen".
Nun, zum Trfatz giebt es ja Philologen auf der lVelt, denen
folch ein gelehrtes Mätzchen als ein Abkömmling der Tule der
j?allas Athene erscheint.

» Zola hat, einer unglücklichen französischen Mode folgend,
auch „Germinal" zum Bühnenstück verarbeitet und ihn auf-
führen lassen. (Dhne großen Erfolg — felbst in einer
Zrei-Norstellung fürs Nolk. !)on den vorzügen des Romans
„Germinal", eines der mächtigsten Dichterwerke aller Littera- !
turen, machte keiner den N)eg auf die Bühne mit, konnte
l ihn anch keiner mitmachen, denn „Germinal" ist ein so echt

-.-

Tage.

exisches Kunstwerk, wie nur irgend eine zeitgenöfsifche
Dichtung sonst.

-x- Die jdreife der Theaterplätze haben in jüngster
Zeit zu einer nicht uninteressanten öffentlichen Lrörterung den
Anlaß geboten. Im „Neuen wiener Tageblatt" erklärte
R. Valdek das Bestehen der festen Lintrittspreise für einen
Lchadcn unsres Theaterlebens: sei es doch wirtschaftlich falfch,
eine waare, deren Absatz ein schwankender ist, gegen sich
gleich bleibendes Lntgelt anzubieten. Im Lommer, wie im
winter, bei Zugstücken, wie bei Lückenbüßern u. s. w. sind
aber nnsre Lintrittspreise gleich oder so gut wie gleich —
wenn nämlich nicht die Aufkäuser für eine Regelung nach
Angebot und Nachfrage forgen, die diesen sehr unberechtigten
Zwischenhändlern zu gut kommt, nicht den Bühnen und nicht
dem publikum. Valdek sprach deshalb für „die Linführung
der nach dem Begehr sich richtenden j)reise" und zwar durch
Versteigerung der Billets. Reihenweise sollten die platz-
karten ausgerufen werden, jede Sorte zu bestimmten Stunden,
fo daß Ieder weiß, wann fein jdlatz ,,daran" ist.

Nun befpricht A. Nollrath den Naldekschen Rorschlag in
den „Dramatnrg. Blättern". Lr giebt die Übelstände im be-
stehenden Gebrauche zu, ohne der versteigerungsidee viel Ge-
schmack abzugewinnen. vor Allem scheint er zu besorgen,
daß gerade die Billethändler, die „Agioteure" bei dem ver-
! steigerungsverfahren „kserren der Situation" werden würden
— wie ja das Lntsxrechende bei jeder kleinen Gant in großen

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