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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 21
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Vom Tage
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Sprechsaal
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0315

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nächtliches Dunkel erblicken? woher sollten sie sonst, wenn
sie nicht den guten Glauben an die Zukunst hätten, die Lust
zu sröhlichein Schaffen gewinnen? Der bsistoriker sreilich,
der das Dorhandene sichtet, wird solchen widersxrechenden
Ansichten wenig Gewicht beilegen. Wenn er einseitige
Rünftlerurteile als die Summe geschichtlicher Betrachtungen
hinstellte, würde er grobe Unwissenheit verraten. Für ihn
handelt es sich darum, der Linzelerscheinung ihren platz iin
Zusammenhang des Ganzen anzuweisen, das Gute anzuer-
kennen, wo er es findet. Unser Bedanern gehört den Alten,
die der Menge zu Lrebe bequein geworden, unsere Bewunderung
den Alten, die trotz äußerer Lrsolge groß geblieben, unsere
Szwipathie den Iungen, die käinpsend Großes erstreben.
Daneben aber hat der »Aunstbericht« noch eine zweite wichtige
Ausgabe. N?as mit uns lebt, will zu allererst unbesangen
genossen werden. Und das ist nicht so leicht, wie der Rünstler
oft glaubt. Denn wir dürfen nie vergessen, daß die bildende
Runst in unsern Tagen ein Leben sür sich führt, von keiner
Ttröinung iin Bolke getragen ist und deshalb in ihren
Äußerungen nicht so uninittelbar verstanden wird, wie ehemals.
N?er moderne Bilder nicht wie Bilderbogen lediglich des
stofflichen Interesses wegen ansehen will, der muß zu aller-
erst sich um die Absichten und Ziele des dem übrigen volk
weit vorausgeeilten Rünstlervolkes kümmern. Ohne ersahren
zu haben, was sie wollen, läuft er Gesahr, von seinem längst
verlassenen Standxunkt aus gerade das Beste, was sie zu
geben haben, zu übersehen oder mißzuverstehen. U?er mit
den Anschauungen der sdilotyschule großgezogen, sollte er
Bastien-Lexage unmittelbar verstehen können? Uut diesen
Absichten und Zielen der Künstler das publikum vertraut zu
inachen und aus diese weise Runstgenuß und Runstverständ-
nis zu vermitteln, ist unsere erste und wesentliche Aufgabe."

Die Bedeutung der Natursorm en sür die Fortbildung
der Architektur und des Runstgewerbes ist von jdros. Uleurer
(z. Z. in Rom) zum Gegenstande einer Denkschrist gemacht
worden, die dem preußischen Rultusministerinm zugegangen ist
und, wie es scheint, der Ausgangspunkt außerordentlich prak-
tischer Bestrebungen zur Förderung der Mrnamentstudien wer-
den soll. Die hervorragendsten Männer aus diesem sür unsere
Runstentwickelung so wichtigen Gebiete sind Prosessor Larl
Bötticher, Iahrzehnte hindurch Lehrer der Grnamentik an der

königl. Bauakademie in Berlin und jdrofessor Iacobsthal, der
seit Langem das Studium der pflanzenwelt zur Lrklärung und
zur Bereicherung des pflanzlichen Schmuckwerks sür unent-
behrlich erklärt hat. jdrosessor Uleurer spricht sich dafür aus,
daß die unmittelbare Lsinweisung auf Pflanzen- und Tier-
sormen durch vergleichende Betrachtung hervorragender Kunst-
werke zn ergänzen sei. In den betreffenden Lehrbüchern wären
die Natursormen in allen Linzelheiten, Aus- und Untersicht rc.
wiederzugeben und versuche anzustellen, die naturalistischen
Formen in geometrische Linien umzusetzen. Lin gemeinsames
großes werk in diesem Sinne kann — so schreibt die voss.
Ztg. — nur die Frucht gemeinsamen Schaffens sein, so daß
dazu weitere Rreise, so die ksandwerker und die Mitglieder
der Runstgewerbevereine heranzuziehen wären.

» Lin Sommernachtstraum. Auchin diesemIahrewurde
wieder in bsenry Laboucheres Landhause am Themse-User bei
Twickenham Shakespeares Sommernachtstraum im Freien, im
Nachtdunkel, ausgesührt. Die Bühne war unter einer mächtigen
Linde, rechts und links von düsteren Bäumen umgeben, aus
denen elekrische Lampen die Schauspieler und Schauspielerinnen
mit magischem Licht überfluteten; auch von vorn strahlten
von Blättcrn und Sträuchern halb versteckt, kleine Lämpchen
ihr Licht aus die Bühne. Die mächtigen Bäume im ksinter-
grund, das natürliche Grün des srischen Rasens und das
sternbesäete Lsimmelsgewölbe, aus welchem noch sturmgepeitschte
Wolken dahinjagten, vollendeten das zauberhaste, geheimnis-
volle Bild. Line vornehme Gesellschaft hatte sich in dem
Garten eingefunden, der vor (75 Iahren dem Dichter jdoxe
gehörte.

* Der bekannte Ästhetiker und jdhilosoph jdrosessor Moritz
Tarriere zu München feierte das sojährige Doktor-Iubiläum.
Lr promovierte am 28. Iuli (838 an der Universität Berlin
unter Lachmanns Dekanat.

-k Dteiszuerkennung: Der j)reis der Berliner Diez-
Stistung ist dem j)ros. Adols Gaspary in Breslau für seine
„Geschichte der italienischen Litteratur" ((885) zuerkannt worden.

* Geswrben: Am 20. Iuli zu Ropenhagen der dänische
Lyriker Molbech, geb. 20. Iuni t82t- — Der englische
Bildnis- und Genremaler Frank Lsoll zu London (^3 Iahre
alt). — Lsans Brunner, Genre- und Bildnismaler, am
29. Inli zu München (75 Iahrc alt).

Lprecksnnl.

(Mnter sacblicder verÄntvrortung der Derrcn Linscndcr.)

Die Schillerstistung.

Der jüngst ausgegebene Bericht der Schillerstistung
beweisi wieder einmal die Unzulänglichkeit der Rttttel,
die dem Verein zur Dersügung stehen. was können
so winzige Summen ausrichten, wie sie den Menigen
gewährt werden? Sollen die Dichter belohnt werden,
die idealen Zielen uachgestrebt haben ohne Nücksicht
auf die Gunst der IRenge; sollen Andere, welche
die Begabung zum Dichten und Schriftstellern besitzen,
aufgemuntert werden, ihre Runst hochzuhalten u?ie eine
Göttin, so muß die Schillerstiftung über viele hündert-
tausende von Mark in ihren Linkünften verfügen.
So wie sie jetzt ist, hat sie die Grenzen zu eng ziehen
müssen, jetzt sieht es aus, als sage sie: „Leider, zum
Unglück giebt es der Zdealisten und j)oeten allzuviele!
was soll man mit ihnen machen? Ls bleibt uns nichts
übrig, wir müssen sie unterstützen." Die Rlügeleien, um
den Unterstützungen den Lharakter einer Lhrengabe zu

verleihen, bieten ewig nur leere Nflorte. Das deutsche
Volk sollte mehr für seine Dichter thun. Rann es der
Großmut der Nedakteure und Berleger überlassen
bleiben, ob sie die Schriftsteller auskömmlich stellen
wollen oder nicht? Zst nicht das Volk in erster
Linie zu Mpfern verpflichtet? U)ir brauchen nach
Art der französischen eine deutsche Akademie. Lnt-
weder mögen verdiente Schriftsteller einen Lhrensold
von 2 — 3000 Mark empfangen — einerlei ob sie
desselben bedürftig sind oder nicht — oder es mögen
eine Anzahl Bücher alljährlich mit jDreisen von tooo
Mark bedacht worden. Mein vorschlag geht dahin:
zunächst die Lrlaubnis für eine jährlich oder zwei-
jährlich zu veranstaltende Lotterie zu erwirken, die
einen Neinertrag von etwa 200,000 Ubark ergeben
könnte, wie das bei so vielen Dombau- und Rirchen-
lotterien der Fall ist.

Rarl Rrüger.

— 30s —
 
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