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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 14
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Leixner von Grünberg, Otto: Die Stellung des deutschen Schriftstellers
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0191

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iiöer alle Meöiete^eAMcöönen.

14. Stück.

Lrscbeint

Derausgeber:

zferdtnand Nvenarius.

Kesrellpreis!
vierteljährlich 21/2 Mark.

Zsbrg. I.

Dte Stellung des deutscben Lcbrittstellers

Dichter und Schriftsteller", so kann man
lesen und hören, „ist der vertreter der
heiligsten Znteressen seines Dolkes und der
Menschheit. Sein Amt ist es nicht nur, die
Seelen von dem Drucke des Lebens zu entlasten, sondern
auch, ein Lührer zu sein in den Rämpfen der Zeit,
ein j)riester der Wahrheit, des höheren Rechts, der
geistigen Freiheit."

Nach detN worte eines Großen steht der Dichter
aus „der Nkenschheit Ljäh'n" neben den Rönigen.
Line mehr bevorzugte Stellung kann uns wahr-
haftig nicht angewiesen sein.

Seltsam genug klingt es ins Ohr, wenn man
nun die Alagen über die thatsächliche Stellung des
Standes hört. Der Schriftsteller gelte in Deutschland
weniger, als in jedem anderen Lande. In Ztalien,
Spanien, ssortugal, Frankreich sei es ihm möglich, zu
den höchsten Ämtern zu gelangen; überall nehme er,
salls sein Name ein guter sei, in der Gesellschaft
eine bevorzugte Stellung ein. Nur bei uns ist er
das Aschenbrödel.

Die Thatsache ist in bestimmtem Umfange nicht
anzuzweifeln. Die obersten Rreise der Gesellschaft
treten jedem Dichter und Schriststeller, wenn er nicht
von Geburt zu ihnen gehört, mit Uußtrauen, ja
nicht selten mit höflicher Nichtachtung entgegen —
sie müßten ihn denn eben gebrauchen. Und die-
selbe ablehnende Haltung beobachten die meisten Uut-
glieder der Gelehrtenwelt, des höheren Beamten-
standes, die Gffizierskreise. Nichts zu sein als Dichter
und Schriftsteller, erscheint hier sast als nicht ganz
anständig und wird in anderen Ureisen, welche im
Gelde das Höchste erblicken, nur dann verziehen, wenn
das „Geschäft" sehr viel einbringt. Gewiß giebt es
hie und da Ginzelne, die sich der vollen Achtung

aller Ureise ersreuen, mit welchen sie in Berührung
kommen, aber es sind doch nur Ginzelne.

Ich könnte diese Thatsache mit vielen Beispielen
belegen, aber es ist nicht nötig, denn sie ist zu be-
kannt, um des Beweises zu bedürfen.

Aber eine solche Lrscheinung muß doch ihre
Gründe haben, und zwar neben aus vorurteilen ent-
standenen auch andere, welche tieser wurzeln. Zch
will versuchen, dieselben hier darzustellen.

Lrstlich giebt es solche, die nicht unmittelbar von
der Lsaltuug des Standes selbst abhängen. Zunächst
die Lage der Zeit. Die letzten Zahrzehnte haben
dem deutschen volke Aufgaben zugewiesen, welche
durch die Linbildungskraft nicht zu lösen sind. Der
wille und der verstand sind aus den Rampfplatz ge-
rufen worden; es galt in Schlachteu ein Deutschland
zu schafsen, es gilt dasselbe staatlich fest auszubauen,
die Forderungen des vierten Standes, soweit sie be-
rechtigt sind, zu ersüllen. Diese Aufgaben haben sich
stetig vergrößert, und jeder Schritt bei ihrer Lösuug
zeigt, wieviel zu thun noch übrig bleibt.

Solche Zeiten haben stets die Dichter und Schrist-
steller zurückgedrängt. Das Leben kenut Nücksichten
nicht, es verlangt unerbittlich, daß Forderungen des
Tages genuggethan werde, wenn Staat und volk
nicht schweren Schaden leiden sollen. Die Nlenschen
scharsen Urteils, festen Zugreifens, die willenskräftigen
werden dann, von der geschichtlichen Notwendigkeit
gefördert, von selber die bselden der Zeit.

Dann bildet die Überherrschaft des Gelehrtentums
einen weiteren Grund. Das wissen, welches in
irgend einer Art geeignet scheint, Lrgebnisse zu liefern,
die den spröden Stosf der Zeit bezwingen köunen,
mußte an Ansehen gewinnen. Wie in anderen, des-
halb noch nicht an sich glücklicheren Zeiten, Rünstler
und Dichter am meisten geeignet waren, die beste

Der Nachdruck von längeren wie kürzeren Beiträgen des „Aunstwarts" ist vom verlage nur unter deutlicher Puellenangabe gestattet.


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