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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 24
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Vom Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0359

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«- Aus Paris meldet die „Tägl. Rundschau", daß die t872
gegründete, aber seit ^879 „schlummernde" Theaterkom-
mission vom Ninisterium der schönen Aünste zu neuem
Leben erweckt sei. Die Ausgabe dieser Aörxerschast geht da-
hin, über gesetzgeberische und verwaltungsfragen, die sich aus
Theater und Aonservatorium beziehen, dcm Ninisterium zu
berichten, und die Abfassung der vorschristen sür Bühnen-
leitungen, sowie ihre Aussührung, zu überwachen.

Mascheroni, der römische Aomxonist und Aapellmeister,
bereist im Austrage seiner Regierung Deutschland und Vster-
reich, um unser Theaterwesen kennen zu lernen. Lrisxi, der
sür die italienische Oper ein ständiges Verhältnis statt der
jetzt herrschendcn Staggione - Linrichtungen erstrebt, soll das
veranlaßt haben. Ein Berliner Berichterstatter besragte nun
Nascheroni, ob er glaube, unsere Art der Bühnenleitung in
Italien einführen zu können, uud jener gab ihm mit einem
Anfluge von Lsumor die solgende Antwort, die uns etwas
zum Nachdenken ausfordern sollte: ,,Nicht ganz, den Repertoire-
wechsel wollen wir durchsetzen, aber länger als drei bis füns
Iahre wollen wir keine Bühnenkünstler verpflichten. Eine
Mper, die auf der wahren Aunsthöhe bleiben will, dars Länger
und Längerinnen nicht bis ins höhere Alter hinauf für die
Bühne verpflichten, sondern muß immer innerhalb süns
Iahren frische Aräfte ins Zusammenspiel einfügen. Ruhege-
halt usw. ist bci uns nebensächlich, denn wir zahlen Gehalte,
die sehr bedeutend sind. Wer sünf Iahre bei uns singt, kann
sich ein stattliches Vermögen ersparen, das ihm mehr Zinsen
bringt, als eine j)enfion, und hat den Vorteil, seine Ztimme
anderwärts noch weiter verwerten zu können."

» Lin tviener Blatt empflehlt den ,,leitenden sdersönlich-
keiten unserer kfosbühnen", flatt der stehenden Absageformeln
,,A)egen plötzlicher Unpäßlichkeit des kserrn" oder ,,des Fräu-
leins" usw. einmal versuchsweise etwa die solgenden auf die
Theaterzettel zu setzen: ,,!Vegen xlötzlich eingetretenen Wohl-
beflndens des kherrn lVinkelmann heute: Tannhäuser oder der
Zängerkrieg aus der lVartburg." — ,,In Folge glücklich be-
hobenen Aatarrhs des Fräuleins Antonie Lchläger heute: Die
ksugenotten." — „Zur Feier der Lrholung des Fräulcin Lerale
von einer kleinen Unpäßlichkeit heute: Lxcelsior". — „Nach gänz-
licher kserstellung des lserrn Sonnenthal (Beseitigung einer
Fußverflauchung mittels Liskomxressen) heute bei feftlich be-
leuchtetem Zchauxlatze: Zromont jur>. und Risler sev." —
,,!Vegen glücklicher Rückkehr des lferrn Lewinsky von einer
Zpritzsahrt heute: Die Räuber."

-x- Der Gedanke eines „alljährlichen -Münchner
Zalons«" (der doch hoflentlich einen andern Namen bekom-
men soll, als diesen? , d. h. einer jedes Iahr wiederkehrenden
internationalen Aunstausstellung im Aunstmittelpunkte „nicht
blos Deutschlands, sondern der gesamten germanischen lVelt",
der dazu das innere Recht hat, „wenn irge> d eine 5tadt des
Lrdballs außer jdaris", — wird gegenwärtig in den Münchner
„Neuesten Nachrichten" eisrig besprochen. ,,Die Einrichtung
erscheint uns heute nicht mehr als eine Möglichkeit, sondern
als eine pflicht, zu deren glänzender Durchsührung sich — da-
von sind wir überzeugt -- Regierungen, Rünstlerschaften und
Aunstfreunde die Hand reichen werden." Bis ,,ein anderes
dem Unternehmen vollkommener und auf die Dauer entsprechen-
des Gebäude geschaflen sein wird", denkt man den Glaspalast
als Ausstellungsraum zu behalten. ,,Lin »Zalonverein« müßte j
größere Ankäufe sicher stellen." Giebt man einmal die Be-
rechtigung des modernen Aunstausstellungswesens zu, sei es
nun als die einer auch nach der geistigeren 5eite hin nütz-
lichen Sache oder auch nur als eines notwendigen Übels — !
so wird man sicherlich dem jdlane gutes Gedeihen wünschen

müssen. Aus jeden Zall wäre seine Aussührung von sehr
weittragender Bedeutung.

* Man erwartet, daß die vorlage für ein Aaiser-Wil-
Helm-Denkmal dem Reichstage kurz nach seinem lvieder-
zusammentritt zugehen wird. Als seststehend kann schon jetzt
angesehen werden, daß eine Verbindnng des Monuments mit
dem Neubau des Doms nicht beabsichtigt wird. Man
scheint ,,an hoher Ztelle" der Meinung Iener zuzuneigen,
welche sür ein Niederlegen der kfäuser an der Schloßfreiheit
und für den Aufbau des Denkmals an deren j)latz eintraten.
Nach unserer Meinung dürfte eine schönere Lösung der Vor-
frage nach dem Standort flch auch schwerlich flnden lassen.

» Auf der Berliner akademischen Ausstellung
I erhielten die große goldene Medaille: Bildhauer Aundmann-
lvien und Malcr Laltzmann - Berlin; die kleine goldene: die
Bildhauer ksundrieser-Lharlottenburg, Max Anger-Berlin und
die Maler G. Aoch-Berlin, Alabbes-Aarlsruhe, Rößler-Franz
in Rom, Vorgaug-Lharlottenburg, Aehrmann-Aoblenz, Lieber-
mann-Berlin, v. Alever-jdetersburg. Auch eine Anzahl „ehren-
voller Lrwähnungen" sind ausgesxrochen worden.

» Das Fernbleiben der franzöflschen Aünstlervon
der Münchner Ausstellung thut dieser, so äußert sich Frenzel
in der „Nationalztg.", „vielleicht noch mehr in kulturhistorischer
als in rein künstlerischer Lflnsicht Lintrag. In der Malerei
wie in der Sittenkomödie sind die Franzosen das Volk der
Initiative, im hervorragendem Grade besitzen sie das Talent,
den Ldelstein zu schleifen, einem Gedanken, einem Stoff die
allgemein gültige, verständliche und anziehende Form zu geben.
Die deutsche Malerei zählt eben so viele ausgezeichnete Aünstler
wie die französische, aber der sranzösische Lalon ist ungleich interes-
santer, als eine deutsche akademische Ausstellung. Aeineswegs,
weil die Mannigfaltigkeit des Ltofllichen bei den Franzosen über-
rascht — ich wäre im Gegenteil eher geneigt, im Lsinblick auf die
Fülle und Verschiedenheit des Dargestellten den Deutschen den
j)reis zuzuerkennen, sowohl in der Genre- wie in der Land-
schastsmalerei. So weit herum in der malerischen !Velt wie
unsere Landschaster kommen die Franzosen selten, humoristische
Genrebilder, wie so manche Bilder von Desregger, Vautier,
Grützner, diese Lieblinge unseres j)ublikums, gehören im
j)ariser Lalon zu den Ausnahmen. Nicht im Ztofllichen, die An-
ziehungskrast der Franzosen beruht in der geistreichen Be-
handlungsweise. Gerade wie in ihren Aomödien. Lie wissen
auch dem Alltäglichen einen orginalen Zug zu verleihen und
schrecken vor keinem tvagnis zurück. Aus der Ausstellung
des Iahres ^869 waren es die Franzosen, Lorot mit seinen
Landschasten, Lourbet mit seinen »Lteinkloxsern« und seinem
»Mädchen mit dem jdapagei < an ihrer Zpitze, welche dem Rea-
lismus in der Malerei den Zieg crringen halsen. Man braucht
jetzt nicht mehr für oder gegen diesen Realismus eine Lanze
einzulegen: die gesamte europäische Malerei hat von der An-
regung, die sie damals von den Franzosen empflng, Nutzen
gezogen. Die Auffassung der Natur ist srischer und freier, die
Technik kühner und breiter geworden. Niemand, der oflene
Augen hat, vermöchte, nach einem Gange durch die historische
Abteilung der Münchener Ausstellung den Fortschritt aus
der Zimperlichkeit der Behandlung zu einer größeren Natur-
wahrheit, aus den schwarzbraunen dunklen Farbtönen zu einer
lebhaften kselligkeit in dcn modernen Bildern zu leugnen.
Am so lehrreicher wäre es gewesen, diesmal die Ansänge einer
neuen lvandlung in der Malweise und im Geschmack zu be-
obachten, die sich seit dem Auftreten Manets und seiner Lchule,
der Impresflonisten, in der sranzösischen Aunst vorbereitet.
Der Zusammenhang zwischen dieser Lntwickelung und der
litterarischen, die sich an die tverke der beiden Goncourt,

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