Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0017
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No 1-13 (Januar 1824)
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- Einband
- [Vorbemerkung]
- Inhalt
-
No 1-13 (Januar 1824)
-
No 14-25 (Februar 1824)
-
No 26-39 (März 1824)
-
No 40-51 (April 1824)
-
No 52-65 (Mai 1824)
-
No 66-78 (Juni 1824)
-
No 79-91 (Juli 1824)
-
No 92-104 (August 1824)
-
No 105-117 (September 1824)
-
No 118-130 (Oktober 1824)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nio 3. Mittwoch den 7. Januar 184.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von
Erlach.
Thema:
SG1loſſe.
Wo wir uns der Sonne freuen
Sind wir jede Sorge los.
Daß wir uns in ihr zerſtreuen,
Darum iſt die Welt ſo groß. ö
Goethe.
Der lyriſche Dichter.
Luſtger Muth in ſchlimmen Zeiten
Bringet wahrlich viel Gewinnſte,
Kummervollen Luſt bereiten
Reicht die Krone dem Verdienſte,
Dieſes iſt nicht abzuſtreiten;
Drum für uns und andre ſcheuen
Wir nicht Blumen auszuſtreuen,
Deßhalb ſind wir hoch zu achten,
Denn wir dichten, ſeufzen, ſchmachten,
Wo wir uns der Sonne freuen.
Der tragiſche Dichter.
Nur durch Wahnſinn, Donner, Leichen,
Wuth, Mord, Teufel, Spuckgeſtalten
Kann man Klaſſſchen Werth erreichen.
Dieſes nur muß man entfalten
Oder ſchnell die Segel ſtreichen;
Wir, wir ſetzen Stoß auf Stoß,
Raſerei nur dünkt uns groß,
Und nur der wird nachgetrachtet;
Sind die Helden abgeſchlachtet,
Sind wir jede Sorge los..
Das Publikum.
Weg mit Luſt und Trauerſtücken,
Dem Geſchmackverderb des Schoͤnen;
Laßt zur Schlacht ein Heer anrücken,
Ein Gemetzel zwiſchen Toͤnen. —
Nach der Mahlzeit, welch Entzüͤcken,
Wenn wir die Gedanken ſcheuen!
Hundertmal kann uns erfreuen
Stets daſſelb', ohn Langeweilen;
Laßt uns drum zur Oper eilen,
Daß wir uns in ihr zerſtreuen.
Der Kritiker.
Welche wuͤſten Stimmen rauben
Schwung und Kraft der kritſchen Feder? —
Poͤbel iſts, in tollem Schnauben,
Ausgebalgtes Eſelsleder. —
Was wir ſchreiben, mußt du glauben,
Dieſes iſt des Poͤbels Loos; —
Fruchtbar iſt der Muſen Schoos,
Herrlich, was ſie zubereiten!
Und daß wir dies weit verbreiten,
Darum iſt die Welt ſo groß.
Fritz Max Heßemer.
Nio 3. Mittwoch den 7. Januar 184.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von
Erlach.
Thema:
SG1loſſe.
Wo wir uns der Sonne freuen
Sind wir jede Sorge los.
Daß wir uns in ihr zerſtreuen,
Darum iſt die Welt ſo groß. ö
Goethe.
Der lyriſche Dichter.
Luſtger Muth in ſchlimmen Zeiten
Bringet wahrlich viel Gewinnſte,
Kummervollen Luſt bereiten
Reicht die Krone dem Verdienſte,
Dieſes iſt nicht abzuſtreiten;
Drum für uns und andre ſcheuen
Wir nicht Blumen auszuſtreuen,
Deßhalb ſind wir hoch zu achten,
Denn wir dichten, ſeufzen, ſchmachten,
Wo wir uns der Sonne freuen.
Der tragiſche Dichter.
Nur durch Wahnſinn, Donner, Leichen,
Wuth, Mord, Teufel, Spuckgeſtalten
Kann man Klaſſſchen Werth erreichen.
Dieſes nur muß man entfalten
Oder ſchnell die Segel ſtreichen;
Wir, wir ſetzen Stoß auf Stoß,
Raſerei nur dünkt uns groß,
Und nur der wird nachgetrachtet;
Sind die Helden abgeſchlachtet,
Sind wir jede Sorge los..
Das Publikum.
Weg mit Luſt und Trauerſtücken,
Dem Geſchmackverderb des Schoͤnen;
Laßt zur Schlacht ein Heer anrücken,
Ein Gemetzel zwiſchen Toͤnen. —
Nach der Mahlzeit, welch Entzüͤcken,
Wenn wir die Gedanken ſcheuen!
Hundertmal kann uns erfreuen
Stets daſſelb', ohn Langeweilen;
Laßt uns drum zur Oper eilen,
Daß wir uns in ihr zerſtreuen.
Der Kritiker.
Welche wuͤſten Stimmen rauben
Schwung und Kraft der kritſchen Feder? —
Poͤbel iſts, in tollem Schnauben,
Ausgebalgtes Eſelsleder. —
Was wir ſchreiben, mußt du glauben,
Dieſes iſt des Poͤbels Loos; —
Fruchtbar iſt der Muſen Schoos,
Herrlich, was ſie zubereiten!
Und daß wir dies weit verbreiten,
Darum iſt die Welt ſo groß.
Fritz Max Heßemer.