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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 118-130 (Oktober 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0508

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nid 421. Sonnabend den 9. Oktober 1824.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —

Rechte Liebe.

Erzählung von Ludwig Halirſch,

(Fortſetzun g.)
IV.

Schon reihten ſich die Bauern durch die Straße bis zum
Schloßthore, vor dem ſich ein zierlicher Triumphbogen von
grünen Zweigen, mit buntfarbigen Bändern durchflochten,
erhob. Hier ſtand im Sonntagsputze die Schuljugend un-
ter Anführung des Herrn Schulmeiſters, der aus dem
ſtattlichen Bratenrocke und der wohlfriſirten Perücke ängſt-
lich die Straße hinabſchielend, ſeine periodiſch gebaute An-
rede wiederkaͤute, die er im Drange der Umſtände erſt ge-
ſtern auswendig gelernt hatte.
Der Amtmann war mit ſeiner Familie und den Aelte-
ſten des Dorfes an der breiten marmornen Treppe poſtirt,
um den neuen Gutsherrn in die Zimmer des Schloſſes
einzuführen. Lieschen war in ihrem weißen einfachen

Kleide ungemein reitzend; noch reitzender aber machte ſie

das neugierige Laͤcheln um Mund und Augen. Tine hatte
ſich roſenfarb gekleidet; ſie ſtand ſchweigend neben der
Schweſter, und warf dieſer nur dann und wann einen ſtill-
verweiſenden Blick zu, wenn ſie etwas zu laut die Uebri⸗—
gen durchmuſterte. ö
Jetzt knallten die Boͤller, Schlag auf Schlag; die
Thurmglocken brummten zwiſchen das ſchmetternde „Vivat!“

das ſich von dem untern Thale heraufzog, und ein luſtiges,
rühriges Leben erhob ſich von allen Seiten.
Den Anfang machten ſtattliche Burſche zu Pferde, die
die flatternden Fahnen in der reinen Morgenluft wehen
ließen; ihnen folgten, Paar an Paar, weiß gekleidete
Maͤdchen, ſie ſtreuten Blumen, und an ihrer Spitze ſtol-
zirte gravitaͤtiſch der Schulze, der die Herrſchaft am Ein-
gange des Dorfes empfangen hatte. Nun kamen berittene
Jäger in gruͤnen, mit Gold geſtickten Jacken; der Ober-
foͤrſter fuͤhrte die ſchmucke Schaar an, und neben ihm
trabte ein alter Bekannter von uns, ſein Sohn, der lu-
ſtigtraurige Fritz, dem aber diesmal — der Leſer weiß
vielleicht warum? — das Weinen viel naͤher zu ſeyn ſchien,
als das Lachen.
Mit freundlicher Miene und forſchenden Augen erſchien
jetzt Dornfeld auf ſeinem praͤchtigen, glaͤnzend geſchirrten
Engländer, zuvorkommend grüßte er Alle. Hinter ihm
fuhren ſeine Wagen und die uͤbrige Dienerſchaft ſchloß den
Zug. Erſt im Schloßhofe, wo ihn ein ſchmetternder Tuſch
von Trompeten empfing, ſtieg er ab.
„Hochwohlge — “ fing der Amtmann mit einem tiefen
Bücklinge an, aber er blieb in dem erſten Worte ſtecken,
als er dem laͤchelnden Blicke Dornfelds begegnete. Seine
Frau ward feuerroth vor Verlegenheit, Tine ſchlug die
Augen verwirrt zu Boden, nur Lieschen blieb die Gefaß-
teſte. Sie überreichte laͤchelnd ihren Blumenſtrauß, zog
 
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