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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

DOI Kapitel:
No 79-91 (Juli 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0352

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nid 83. Montag den 12. Juli 18.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —

—.— — — — —

EGlück im unghü c.

Von Caroline Still.

Der Baron von Belville galt in den Augen vieler ſeiner
urtheilsfaͤhigſten Landsleute für einen ausgezeichnet-ver-
dienſtvollen Mann; nur machte er ſeinem hohen Range
und alten Adel mehr durch die ſeltenen Eigenſchaften ſei-
nes Geiſtes und Gemuͤths, als durch eine glaͤnzende Le-
bensweiſe Ehre. Nach dem frühen Verluſt einer ſehr ge-
liebten Gattin, hatte er ſich auf ſeine Güter zurückgezogen,
wo er ſeine Zeit voͤllig der Erziehung eines einzigen Soh-
nes, und einigen landwirthlichen Beſchäftigungen widmete.
Faſt mißbilligend beurtheilte ſein Bruder, der Marquis
von Belville, dieſe einfache Eintheilung ſeines Lebens,
Der Marquis war nie vermählt geweſen; kein zartez
Band der Liebe und Haͤuslichkeit hatte ihn zur Erkenntniß
jenes ſtilleren Gluckes im eigenen Herzen gefuͤhrt, vor dem
die Trugbilder des Schimmers an ihren wahren Platz zu-
ruͤckweichen. So richtete er nun ſein ganzes Streben dar-
auf, durch eine glaͤnzende Laufbahn am Hofe ſich Ehre
und Auszeichnung zu erwerben; und weit begreiflicher fand
auch die gern urtheilende und wenig⸗denkende Menge dieſen
Lebensplan, als den ſeines Bruders. Man erſchoͤpfte ſich
in Vermuthungen über den Baron, was dieſen indeß ſehr
wenig bekuͤmmerte. Die Natur, ſeine Bücher, und der

innere Geiſt des Menſchen lagen ihm weit mehr am Her-
zen, als das Geſchwaͤtz ſeiner Provinz; und da von allem,
was über ihn geſprochen, prophezeiht und geurtheilt ward,
nichts eintraf, endigte man damit, gar nichts weiter über
ihn zu ſagen, aus dem ſehr einfachen Grunde, weil man
nicht mehr wußte, was man ſagen ſollte. —

Der Baron hatte ſich Anfangs Staͤrkung der Körper-
kraft ſeines Sohnes zum Hauptzweck bei der Erziehung
deſſelben gemacht, wohl erkennend, welcher unſchaͤtzbare
Begleiter durch das Leben eine feſte Geſundheit iſt. Jetzt
indeſſen, da Guſtav ſich ſchon allmaͤlig dem Jünglings-
alter naͤherte, wurden laͤngſt auch Kuͤnſte und Wiſſenſchaf-
ten mit lebhaftem Eifer getrieben, denn wie hätte der
Baron, dem mitten im Getümmel der Welt dieſe geiſtigen
Lebensgefaͤhrtinnen ſo werth geblieben waren, ihres ver—⸗
edelnden Einfluſſes in der Einſamkeit, und fuͤr ſeinen
Sohn, vergeſſen ſollen? — Guſtav machte ſchnelle Fort-
ſchritte; der Geiſt, wie der Sinn ſeines Vaters ſchien
auf ihn übergegangen zu ſeyn; er lebte mit dieſem, ob-
gleich ferne von mancher jugendlichen Zerſtreuung, dennoch
hoͤchſt gluͤcklich, und hatte den Zentnerdruck der Langen-
weile bisher nur noch dem Namen nach kennen gelernt.

Nach einiger Zeit überraſchte der Marquis von Belville
ſeinen Bruder durch einen Beſuch. Sehr zufrieden mit den
geiſtigen Anlagen ſeines Neffen konnte er ſich doch kaum
 
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