Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) (1824)

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

b 75. Mittwoch den 33. Juni 182.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Die Ro ſe. Der entzuͤckten Welt enthuͤllt;
ö Ihres erſten Athems Webhen,
(Aus einer noch ungedruckten Oyer.) Strömt der Liebe ſüßes Leben! —
Still' und leiſ' aus tiefen Keimen Endlich in des Duftes Fuͤlle
Zart der Roſe Kelch ſich webt, Steht ſie da, geliebt, erkannt;
Und wie auch in engen Räumen Abgeſtreift die neid'ſche Hulle
Uepp'ge Form ſich draͤngt und hebt, Pranget ſie im Brautgewand.
Ruht von Luſt und Leid geſchieden Liebe, die ſie zart geſtaltet,
Sie in ſußer Liebe Frieden. ö Dir zuerſt ſie ſich entfaltet! —
Wenn des Lenzes Web'n und Wallen Alles bluht und lacht in Helle,
Froh durch Erd' und Himmel dringt, Koſend gruͤßt der Lenz ſein Kind,
Reiche Blüthen bluͤh'n und fallen Alles trinkt aus ihrem Quelle
Reiches Leben ſich verjuͤngt; Der aus tauſend Adern rinnt;
Dann auch fuͤhlt in ihrer Huͤlle Ob ihr Strom nur einem walle —
Hoffend ſie des Lebens Fuͤlle! — Sel'ge Lieb' iſt reich fur Alle! —
Nicht wie andre. Blumen ſtreben, „Freier jetzt vom Licht umwaltet
Die nur kurz und duͤrftig bluüͤh'n, Wild durchſtromt von lauem Weh'n,
Langſam geht ſie auf zum Leben Immer neu und neu geſtaltet,
Reicher, herrlicher zu glͤh'n. Sieht man Reiz um Reiz erſteh'n;
Hoffnung und der Lieb' Verlangen Liebe iſt es, die aus Liebe
Liegt im zarten Bau gefangen. ö ö Zu beſel'gen himmt die Triebe! —
Jetzt die Hüllen ſich entfalten, Lledebthme mit Verlangen
Und das holdverſchaͤmte Bild, ö ö Liebeſt du, und wirſt geliebt,
Blickt aus ſeines Kerkers Spalten ö Denn dich ſehen, an dir hangen

Iſt die Macht von dir geuͤbt;