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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

DOI Kapitel:
No 144-157 (Dezember 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0612

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nie 148. Sonnabend den 14. Dezember 1824.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Huͤtten! —

Mittheilungen

über die Geſchichte und das Weſen der dramatiſchen Kunſt,
aus den Akten der Mannheimer Buͤhne.

Von Frhrn. v. Weiler.

(Erſte Fortſetzung. Siehe Nr. 133.)
Nach Ifflands Beantwortung der dramaturgiſchen Frage
Was iſt Natur ꝛc.2
wird es vorzuͤglich intereſſiren, Beils Ideen hieruber zu
vernehmen.
Von Beil wird in Ifflands dramatiſchem Almanache
geſagt: ö
»er übertraf die beiden übrigen (Iffland und Beck) an
Eigenthümlichkeit des Humors, einfacher Kraft des Aus-
drucks, und vor allem war er an Menſchenkenntniß ihnen
durchaus überlegen.“
Mehr. Naturaliſt in ſeinen Darſtellungen und Ideen, als
maͤchtig der philoſophiſchen Methode, faͤngt er ſeine Beant-
wortung mit Beiſpielen an.
Ckhof und Schroͤder — ſagt er — muͤſſen der Maaß-
ſtab ſeyn, nach welchem wir Natur und Graͤnze berechnen,
weil ihre Kunſt allgemein bewaͤhrt, und groß gefunden
worden iſt.
Was nennt man an dieſen Maͤnnern Natur?

Meinem Gefuͤhl nach, die Kunſt, in dargeſtellten Cha-
rakteren das Innere des Menſchen mit allen Gemüthsbe-
wegungen, und dem dazu ſchicklichen Temperament ſich an-
fuͤhlend zu machen, dieſen in ſich zuſammengeſetzten Men-
ſchen mit genauem Koſtuüm auf die Bühne hinzuſtellen, und
auf den ſeelenkundigſten mit ſolch einem Grade von Illu-
ſion zu wirken, daß er glaubt, den angenommenen Men-
ſchen wirklich in dem Schauſpieler zu ſehn. Alſo iſt das,
faſt gemißbrauchte Wort Natur an den wirklichen Schau-
ſpielern hohe — hohe Kunſt. — Die allergenaueſte Kenntniß
ihrer eigenen Seelenbewegungen — leiſes Achthaben
auf den Blutumlauf bei denſelben — und die Macht, mit
gewißem Maaße Athemzugs dieſe oder jene Empfindung in
ſich rege zu machen — daher das geringe Haͤuflein Virtuo-
ſen, und ſo entſetzlich viele Stuͤmper, weil man das Hin-
reißende natürlicher Schauſpieler in dem dunkeln Worte
Genie aufſucht. ö
Aus dieſem ſchweren Studium, aus ſich Leidenſchaften
und Launen mit natürlicher Harmonie ſpielen zu koͤnnen, ge-
bar ſich der Lorbeerausdruck fuͤr den Fleiß des Kuünſtlers
— Natur.
Da alſo nur verwandelte Natur auf der Buͤhne ſtatt
findet, und der Schauſpieler niemals die Leidenſchaft oder
Laune ſelbſt ſeyn darf und kann, ſondern nur reine Nach-
ahmung derſelben, damit beim heftigſten Ausbruche einer
Leidenſchaft, und bei den ſchnellſten Uebergaͤngen von einer
 
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