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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 118-130 (Oktober 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0532

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nie 127. Sonnabend den 23. Oktober 184.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —

Blanka und Iſabelle.
Hiſtoriſche Novellenach Legouvé.

Von Franz Frhrn. v. Keller.

LSortſetzung.,

Wir würden uns über eine ſo unverdiente Strenge keines-
wegs beklagt haben, wenn mit dem Verluſte unſerer Frei-
heit der unglückliche Wilhelm haͤtte gerettet werden kön-
nen; aber kaum ſchmachteten wir in der Gefangenſchaft,
als auf Heinrichs Befehl Bewaffnete kamen, die uns an
den Ort des Blutgerüſtes ſchleppten, um dort Zeugen des
ſchrecklichſten Schauſpiels zu ſeyn. Eine graͤßlich ausge-
dachte Grauſamkeit, ganz des Tyrannen wuͤrdig! — Ur-
theilet nun, was in unſerm Herzen vorging, als wir je-
nen jungen Prinzen, der uns ſo theuer war, als wir die-
ſen Erden des Szepters unſerer Ahnen auf jener Schmach-
bühne erſcheinen ſahen, die nur Verbrechern beſtimmt iſt,
um dort den Todesſtreich zu empfangen! Urtheilet, um
wieviel ſchrecklicher ſeine Lage war, als er — ſchon bereit
den Todesſtreich zu empfangen — ſeine Mutter und Schwe-
ſter wahrnehmen mußte, die mit zerſtreuten Haaͤren, einem
Stricke um den Hals, und mit gefeſſelten Haͤnden hier als
Trophaͤen ſeiner Hinrichtung dienen ſollten! Ploͤtzlich be-
gegneten ſich unſere und ſeine Augen, tief in Thränen ge-
badet; ſie ſagten ſich ein letztes, herzzerreißendes Lebewohl

und hoͤrten nicht auf, ihre wechſelſeitige ſchmerzvolle Blicke
mit einander zu vermiſchen, bis zu dem Momente, wo
ſein Haupt vom Rumpfe fiel! — “
„Dieſer Schlag machte auch uns ohnmaͤchtig, bewußtlos
zu Boden ſinken; ach, und wir kehrten ſpaͤt, und nicht
eher als mitten unter den Schreckniſſen unſeres Kerkers
ins Leben zuruͤck! Aber, was war hier der erſte Gegen-
ſtand, der unſern Anblick überraſchte? es war das Blut
des ungluͤcklichen Wilhelms, wovon wir beſpritzt wurden!
Wir vermengten jetzt mit dieſem koͤſtlichen Blute unſere
heißeſten Zähren; ja wir haͤtten gerne jeden Tropfen da-
von in unſer Herz aufnehmen mögen. Wir harrten indeß
nicht minder, daß wir bald ſelbſt dieſem geliebten Schlacht-
opfer folgen würden: allein, das Uebermaß unſers Un-
glückes erregte das Mitleid des Befehlshabers jenes Thur-
mes, worin wir gefangen lagen. Dieſer bot uns die
Flucht an, und wir nahmen ſeine wohlwollende Dienſte
mit Freuden auf. Er gab uns zu dieſem Ende andere
Kleider, wodurch wir uns unkennbar machen konnten, und
auch einige Goldſtuͤcke als Zehrpfennige auf die Reiſe:
kaum war die Nacht angebrochen, als er unſer Entfliehen
begünſtigte.“ ö
„Unter dem Schutze des nächtlichen Dunkels zogen wir
aus Palermo, nicht ohne Beben bei jedem Schritte, von
Heinrichs Kundſchaftern entdeckt zu werden. Wir gingen
ſo ſtark als es unſere Krafte zuließen, und wollten uns
 
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