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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 40-51 (April 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0197

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nio 45. Mittwoch den 14. April 182.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Ballade,

Die Nachtigall ſchlägt im Blüthenhain,
Die Schaͤfer ſitzen auf moſigem Stein.
„Irin! Jezt nahet die holde Maid.“ —
„Nein, Milon! Ein Wind zog uͤber die Haid.“ —
Mir duͤnkt, ich hoͤre den ſuͤßen Geſang.“ —
„Es war der fernen Floͤte Klang.“ —
„Irin! horch auf! Ein Donnerſchall!“ —
„Es rauſchet ſo laut der Waſſerfall.“ —
Da brechen ſich Räuber durch Hecken die Bahn
Mit blankem Stahl; Marſil voran.
Sie tragen zwei Maͤdchen: Geliebter mein!
Hilf, Milon!“ tönet Lucindaͤ's Schrei'n.
„Wir ſind verloren! Geliebter mein!
Ach! hilf; Irin!“ tönt Chloe's Schrei'n.
Nach eilen die Zwei mit erhob'nem Stab,
Verzweiflung hoͤh're Kräfte gab.
Schon ſind die Raͤuber am Wogenſtrand,
Als Hufſchlag donnert herab das Land.
An ſprengt mit flammendem Schwert und Speer
Ein Ritter, Reiſige hinter ihm her.
Wer flieget ſo raſch, wie ein ſtolzer Aar?
Der Normann Yvo de Montrichard.

Er ſtürmt voll Wuth in der Feinde Schwarm;
Wild iſt der Kampf, bald ſiegt ſein Arm.

Graß blickt Marſil, und brüllt dann laut:
„Nicht meine — auch keines Andern Braut!“
Und ſtoßt Lucinden den Dolch in's Herz:
Sie faͤllt, es endet der bange Schmerz.
Dann ſtoͤßt er ſich ſelber den Dolch in's Herz,

Und faͤllt; es endet ſein wilder Schmerz —

„Bald ſcheint (ruft Yvo) Dir, Böſewicht,
Der Höoͤll' und ihr des Himmels Licht!“

Befreit kehrt Chloe zum Lieben zuruͤck,

Doch ruht auf der Freundin ihr Jammerblick.
Zu Milon, der bei der Entſchlafnen weint,
Spricht jezt der Ritter: „O ſey mein Freund!
Du haſt ſie geliebt, wie ich — und hier
Am Strande liege der Waffen Zier!“
Dann geht er zur Klauſ' im dunkeln Wald,
Wo ihn das här'ne Kleid umwallt. —
Die Schaͤfer beſtatten im Abendſchein
Lucinden, und Klage toͤnt dem Hain.
Nur Milon weicht von dem Grabe nicht
Will harren, bis das Herz ihm bricht.
O Wunder! In Thraͤnen der Hirt zerfließt, ö

Als Quell ſich in's Blumenthal ergießt —
Karl Geib.
 
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