Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0189
DOI Kapitel:
No 40-51 (April 1824)
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- Einband
- [Vorbemerkung]
- Inhalt
-
No 1-13 (Januar 1824)
-
No 14-25 (Februar 1824)
-
No 26-39 (März 1824)
-
No 40-51 (April 1824)
-
No 52-65 (Mai 1824)
-
No 66-78 (Juni 1824)
-
No 79-91 (Juli 1824)
-
No 92-104 (August 1824)
-
No 105-117 (September 1824)
-
No 118-130 (Oktober 1824)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
W
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+ 2
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nio 43. Sonnabend den 10. April 1824.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Mythologiſche Dichtungen.
II. Hypermneſtra.
Wohin
In deiner Worte Zauberglut,
In deiner Blicke
Beredtem Feuer
Fuührſt du, greiſer Richter
Meine erhobne Seele?
Athmen die »Lüfte der Unterwelt
Holderregende Duͤfte?
Bildet die ſchwarze Umgebung
Süß einnehmende Schönheit?
Rauſchen die ſchwirrenden Schatten
— graunvoller Anblick! —
Dieſen ſanften, harmoniſchen Klang?
O was iſt Dieſes, ö
Das meinem ſchwachen Herzen
Muth einhaucht,
Dieſer Geſtaltungen Menge
Ruhig im ruhigen Blick zu dulden?
In der zerknirſchten Mitte
Selbſt mit freier Bruſt zu ſtehen.
Heißt du Bewußtſeyn,
„Geiſt der mich aufrecht haͤlt?
Unſichtbar, aber ein leuchtendes Sonnenbild!
Unhoͤrbar, aber ein milderhebender Sang!
Unfuͤhlbar, aber ein nimmerwankender Schutz.
Heißt ihr es Tugend,
Goͤtter im Olympe,
Das Laſter meiden?
Iſt Unterlaſſen — That?
O arme Erde!
Auch in dem Tartaros
Dieſe menſchlichen Triebe?
Aber ich kann nicht, kann nicht —
Muß ſie ſehen!
Ach ich ſchaue den rieſigen Salmoneus,
Wie ihn Zeus Blitz in die Nacht geſchleudert —
Ich ſchaue
Ixions unendliche Qual,
Und des Siſyphos zweckloſes Ringen —
O und der Schweſtern Schickſal,
Drang, wie die Stimme der Wahrheit —
Ueber der Menſchen Schranken,
Drang aus des Tartaros Tiefen
Hinan — ein warnender Laut!
Zeigt ſie mir Schattenrichter —
Dies Eine Leid in mein Glück —
Zeigt mir meine Schweſtern! — — —
O des bittern Elends!
Ihr! welch ein Jammergeſchick!
Unbeſeligtes Loos!
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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nio 43. Sonnabend den 10. April 1824.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Mythologiſche Dichtungen.
II. Hypermneſtra.
Wohin
In deiner Worte Zauberglut,
In deiner Blicke
Beredtem Feuer
Fuührſt du, greiſer Richter
Meine erhobne Seele?
Athmen die »Lüfte der Unterwelt
Holderregende Duͤfte?
Bildet die ſchwarze Umgebung
Süß einnehmende Schönheit?
Rauſchen die ſchwirrenden Schatten
— graunvoller Anblick! —
Dieſen ſanften, harmoniſchen Klang?
O was iſt Dieſes, ö
Das meinem ſchwachen Herzen
Muth einhaucht,
Dieſer Geſtaltungen Menge
Ruhig im ruhigen Blick zu dulden?
In der zerknirſchten Mitte
Selbſt mit freier Bruſt zu ſtehen.
Heißt du Bewußtſeyn,
„Geiſt der mich aufrecht haͤlt?
Unſichtbar, aber ein leuchtendes Sonnenbild!
Unhoͤrbar, aber ein milderhebender Sang!
Unfuͤhlbar, aber ein nimmerwankender Schutz.
Heißt ihr es Tugend,
Goͤtter im Olympe,
Das Laſter meiden?
Iſt Unterlaſſen — That?
O arme Erde!
Auch in dem Tartaros
Dieſe menſchlichen Triebe?
Aber ich kann nicht, kann nicht —
Muß ſie ſehen!
Ach ich ſchaue den rieſigen Salmoneus,
Wie ihn Zeus Blitz in die Nacht geſchleudert —
Ich ſchaue
Ixions unendliche Qual,
Und des Siſyphos zweckloſes Ringen —
O und der Schweſtern Schickſal,
Drang, wie die Stimme der Wahrheit —
Ueber der Menſchen Schranken,
Drang aus des Tartaros Tiefen
Hinan — ein warnender Laut!
Zeigt ſie mir Schattenrichter —
Dies Eine Leid in mein Glück —
Zeigt mir meine Schweſtern! — — —
O des bittern Elends!
Ihr! welch ein Jammergeſchick!
Unbeſeligtes Loos!