DOI Kapitel:
No 26-39 (März 1824)
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0165
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nio 38. Montag den . Maͤrz 182.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber:
Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
S t am m blat t.
Blumen bluͤhen,
Voͤglein ziehen,
Zeiten kommen und vergehn;
Und der Menſchen Werke fallen,
Epheu ſchlingt ſich um die Hallen,
Lau durchſpielt von Abendwehn.
Ewig wieder
Blickt hernieder
Goldner Lichtſtrahl auf die Welt,
Und ein Sinnbild heil'ger Treue
Breitet ſich in dunkler Bläue
Oben aus das Himmelszelt.
Mag verſchweben
Auch das Leben,
Treue blühet ewig jung
Und mit Abendſonnenſtrahlen
Wird entfloh'ne Freuden malen
Freundliche Erinnerung.
—2 — 2——— — — — — —.....«..«..«.6c6..«6..69.«69
Erhebung.
(ortſetzung.)
Und als es ſich endlich, wie aller Schlummer, zum wa-
chen Lichte heraufwand und als der unſtillbare Drang die
feſt gepreßten Augenlieder erbrach — o Laura, was em-
pfandeſt du da? Der Sieger, der in halber Hoffnung
ſchwebte und ploͤtzlich in dem unuͤberwindlichen Elemente
Widerſtand und Beſiegung findet; der Wandrer der Nacht,
dem ſtatt des erſehnten Mondlichtes graͤßliche Blitze leuch-
ten, und der Gluͤckliche, deſſen Blumenbeete die Senſe des
Todes vernichtet, fuͤhlt deinen Schmerz nicht. O wer, wie
Laura, den Blick Mariens kannte, der alle Seligkeit des
Himmels, alle Gefuͤhle, alle Beruhigung des Glaubens in ſich
trug, der mag den ſeinen ſchaͤudernd von dieſen Zeilen wen-
den, — denn in dem wiedererſchloßnen Augen gluͤhte das
dunkle, verzehrende Feuer des Wahnſinns. Die Nerven
der Arme zuckten krampfhaft zuſammen, eine Flamme lag
in ihren Augen und auf dem ſchönen, gottſeligen Antlitz
mahlten ſich alle die bleichen, entſetzlichen Gedanken, die
ihr die Erinnerung vorgezaubert hatte, in graͤßlich, ſchar-
fen Abriſſen. Muͤhſam bog ſich Laura uͤber ſie hin und ih-
rem erſchuͤtterten Buſen, den der Blutlauf in jedem Augen-
blicke zu überſtrömen drohte, entrang ſich ein qualvolles
aber mild bittendes „Maria!“
Einen Augenblick legte ſich die wilde Gluth und nach
einem ſchreckhaften Zuſammenſchaudern ſchien ſich Maria
noch einmal ihrer Lage zu erinnern. O wer fuͤhlen und
denken kann, der kennt die Angſt, die mit ſchweren Fitti-
gen üͤber den beiden gequaͤlten Seelen lag und ahnt die
zerreißenden, zermalmenden Gedanken, die Marien durch-
zogen, als ſie ſchluchzend mit erpreßten Thraͤnen an Laura's
Nio 38. Montag den . Maͤrz 182.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber:
Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
S t am m blat t.
Blumen bluͤhen,
Voͤglein ziehen,
Zeiten kommen und vergehn;
Und der Menſchen Werke fallen,
Epheu ſchlingt ſich um die Hallen,
Lau durchſpielt von Abendwehn.
Ewig wieder
Blickt hernieder
Goldner Lichtſtrahl auf die Welt,
Und ein Sinnbild heil'ger Treue
Breitet ſich in dunkler Bläue
Oben aus das Himmelszelt.
Mag verſchweben
Auch das Leben,
Treue blühet ewig jung
Und mit Abendſonnenſtrahlen
Wird entfloh'ne Freuden malen
Freundliche Erinnerung.
—2 — 2——— — — — — —.....«..«..«.6c6..«6..69.«69
Erhebung.
(ortſetzung.)
Und als es ſich endlich, wie aller Schlummer, zum wa-
chen Lichte heraufwand und als der unſtillbare Drang die
feſt gepreßten Augenlieder erbrach — o Laura, was em-
pfandeſt du da? Der Sieger, der in halber Hoffnung
ſchwebte und ploͤtzlich in dem unuͤberwindlichen Elemente
Widerſtand und Beſiegung findet; der Wandrer der Nacht,
dem ſtatt des erſehnten Mondlichtes graͤßliche Blitze leuch-
ten, und der Gluͤckliche, deſſen Blumenbeete die Senſe des
Todes vernichtet, fuͤhlt deinen Schmerz nicht. O wer, wie
Laura, den Blick Mariens kannte, der alle Seligkeit des
Himmels, alle Gefuͤhle, alle Beruhigung des Glaubens in ſich
trug, der mag den ſeinen ſchaͤudernd von dieſen Zeilen wen-
den, — denn in dem wiedererſchloßnen Augen gluͤhte das
dunkle, verzehrende Feuer des Wahnſinns. Die Nerven
der Arme zuckten krampfhaft zuſammen, eine Flamme lag
in ihren Augen und auf dem ſchönen, gottſeligen Antlitz
mahlten ſich alle die bleichen, entſetzlichen Gedanken, die
ihr die Erinnerung vorgezaubert hatte, in graͤßlich, ſchar-
fen Abriſſen. Muͤhſam bog ſich Laura uͤber ſie hin und ih-
rem erſchuͤtterten Buſen, den der Blutlauf in jedem Augen-
blicke zu überſtrömen drohte, entrang ſich ein qualvolles
aber mild bittendes „Maria!“
Einen Augenblick legte ſich die wilde Gluth und nach
einem ſchreckhaften Zuſammenſchaudern ſchien ſich Maria
noch einmal ihrer Lage zu erinnern. O wer fuͤhlen und
denken kann, der kennt die Angſt, die mit ſchweren Fitti-
gen üͤber den beiden gequaͤlten Seelen lag und ahnt die
zerreißenden, zermalmenden Gedanken, die Marien durch-
zogen, als ſie ſchluchzend mit erpreßten Thraͤnen an Laura's