Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
126. Mittwoch den 10. Oktober 1824.
Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! —
Friede und Segen den Hütten! —
Rechte Liebe.
Erzählung von Ludwig Halirſch.
(S che luu ß.)
IX.
Tina war Dornfelds glückliche Gattin geworden und beide
kehrten im Spätſommer aus dem Bade zuruͤck, wo letzte-
rer nach der Vorſchrift des Arztes ſeine Heilung vollendet.
Sie hatten einen kleinen Umweg durch die Gebirge ge-
macht und waren nur noch eine Tagereiſe von Leitenſee
entfernt, als ſie mitten auf dem Wege durch einen Berg-
wald von einem ſtarken Gewitter überfallen wurden. Es
war ſpäter Abend, und die dunkeln Wolken, welche ſich
rings umher aufhaͤuften, machten dieſen bald zur finſtern
Nacht. Schon rollte der Donner naͤher, einzelne Blitze
blendeten mehr als ſie leuchteten, und ſchwere Tropfen
fielen nieder. Die Reiſenden wunſchten ſehnlichſt, vor
dem Ausbruche des Gewitters ein Wirthshaus oder eine
Huͤtte zu erreichen; aber je mehr der Kutſcher die Pferde
antrieb, deſto groͤßer ward die Gefahr bei der jetzt gaͤnz-
lich eingebrochenen Finſterniß. Es dauerte auch nicht lange,
ſo prallte der Wagen an einen Baumſtamm — es brach
ein Rad, und jede Ausſicht auf Weiterkommen war verlo-
ren. Dornfeld ſprang heraus; Tina blieb halb ohnmaͤchtig
ſitzen, der Kutſcher fluchte — aber keines wußte Hulfe.
Der Regen fing jetzt ſtaͤrker an, zugleich erhob ſich ein
unfreundlicher Sturm, der Froſt mit ſich brachte — und
Dornfelds Angſt um ſeine junge, zarte Frau ſtieg immer
hoͤher. Endlich erinnerte er ſich ſeiner Piſtolen; ſchnell
ſuchte er ſie hervor und ſchoß zuerſt eine; dann die andere
in die Luft, um wenn jemand in der Naͤhe waͤre, ein
Zeichen der Noth zu geben. In aͤngſtlicher Sorgfalt horch-
ten ſie nun eine geraume Weile; jetzt knallte es rechts
ganz nahe, eine rauhe Stimme ſchrie durch den Wald,
und alle Berge riefen ihr nach. Dornfeld gab gleiche Ant-
wort. Bald erſchien auch der Retter in der Noth, ein
großer, dichtverhuüͤllter Mann, den Hut tief in die Augen
gedruckt.
Nachdem ihn Dornfeld von ihrem Unfalle unterrichtet,
lud er die Reiſenden ein, ihm zu folgen, und befahl dem
Kutſcher zu warten, bis er Hülfe ſenden wuͤrde. Er ſchlug
nun einen Fußweg ein, den ſie etwa eine Viertelſtunde
lang ziemlich wortarm verfolgten, bis ihnen endlich mehrere
freundliche Lichter durch die Nacht entgegen blitzten. Sie
ſtanden, wie es ſchien, vor einem ziemlich geraͤumigen
und wohnlichen Hauſe. Der Fremde rief hier zuvoͤrderſt
mehrere Knechte zuſammen, denen er ſofort die angemeſ⸗—
ſenſten Befehle ertheilte, um den Wagen in Sicherheit zu
bringen, Dann fuͤhrte er ſeine Gaͤſte üͤber eine breite und
bequeme Treppe, die nach dem bewohnten Theil des Ge-
baͤudes führte.
Jetzt traten ſie in eine niedliche, hellerleuchtete Stube.
126. Mittwoch den 10. Oktober 1824.
Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! —
Friede und Segen den Hütten! —
Rechte Liebe.
Erzählung von Ludwig Halirſch.
(S che luu ß.)
IX.
Tina war Dornfelds glückliche Gattin geworden und beide
kehrten im Spätſommer aus dem Bade zuruͤck, wo letzte-
rer nach der Vorſchrift des Arztes ſeine Heilung vollendet.
Sie hatten einen kleinen Umweg durch die Gebirge ge-
macht und waren nur noch eine Tagereiſe von Leitenſee
entfernt, als ſie mitten auf dem Wege durch einen Berg-
wald von einem ſtarken Gewitter überfallen wurden. Es
war ſpäter Abend, und die dunkeln Wolken, welche ſich
rings umher aufhaͤuften, machten dieſen bald zur finſtern
Nacht. Schon rollte der Donner naͤher, einzelne Blitze
blendeten mehr als ſie leuchteten, und ſchwere Tropfen
fielen nieder. Die Reiſenden wunſchten ſehnlichſt, vor
dem Ausbruche des Gewitters ein Wirthshaus oder eine
Huͤtte zu erreichen; aber je mehr der Kutſcher die Pferde
antrieb, deſto groͤßer ward die Gefahr bei der jetzt gaͤnz-
lich eingebrochenen Finſterniß. Es dauerte auch nicht lange,
ſo prallte der Wagen an einen Baumſtamm — es brach
ein Rad, und jede Ausſicht auf Weiterkommen war verlo-
ren. Dornfeld ſprang heraus; Tina blieb halb ohnmaͤchtig
ſitzen, der Kutſcher fluchte — aber keines wußte Hulfe.
Der Regen fing jetzt ſtaͤrker an, zugleich erhob ſich ein
unfreundlicher Sturm, der Froſt mit ſich brachte — und
Dornfelds Angſt um ſeine junge, zarte Frau ſtieg immer
hoͤher. Endlich erinnerte er ſich ſeiner Piſtolen; ſchnell
ſuchte er ſie hervor und ſchoß zuerſt eine; dann die andere
in die Luft, um wenn jemand in der Naͤhe waͤre, ein
Zeichen der Noth zu geben. In aͤngſtlicher Sorgfalt horch-
ten ſie nun eine geraume Weile; jetzt knallte es rechts
ganz nahe, eine rauhe Stimme ſchrie durch den Wald,
und alle Berge riefen ihr nach. Dornfeld gab gleiche Ant-
wort. Bald erſchien auch der Retter in der Noth, ein
großer, dichtverhuüͤllter Mann, den Hut tief in die Augen
gedruckt.
Nachdem ihn Dornfeld von ihrem Unfalle unterrichtet,
lud er die Reiſenden ein, ihm zu folgen, und befahl dem
Kutſcher zu warten, bis er Hülfe ſenden wuͤrde. Er ſchlug
nun einen Fußweg ein, den ſie etwa eine Viertelſtunde
lang ziemlich wortarm verfolgten, bis ihnen endlich mehrere
freundliche Lichter durch die Nacht entgegen blitzten. Sie
ſtanden, wie es ſchien, vor einem ziemlich geraͤumigen
und wohnlichen Hauſe. Der Fremde rief hier zuvoͤrderſt
mehrere Knechte zuſammen, denen er ſofort die angemeſ⸗—
ſenſten Befehle ertheilte, um den Wagen in Sicherheit zu
bringen, Dann fuͤhrte er ſeine Gaͤſte üͤber eine breite und
bequeme Treppe, die nach dem bewohnten Theil des Ge-
baͤudes führte.
Jetzt traten ſie in eine niedliche, hellerleuchtete Stube.