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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 105-117 (September 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0476

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nie 114. Mittwoch, den N. September 184.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Huͤtten! —

Das eheſtiftende Bad.

(Fortſetzung.)
Der Stiftsherr war ſtehen geblieben — nicht etwa betre-
ten — nein! ſeelengluͤcklich uͤber den errungenen Sieg, ſo
meinte er; der Muſenſohn hatte dieſe Seite der Tafel genau
beobachtet und kam nun herbei ſeinen Theil zur Schuͤrzung des
tragiſchen Knotens hinzu zu thun, denn wenigſtens tragicomiſch
ſollte die Cataſtrophe werden. Er trat zu dem ob ſeines
Gluͤckes noch ſinnenden Stiftsherrn — denn der Sieg hatte
dieſem ſo uͤberraſcht, daß er doch verlegen war, wo er ſo
ſchnell mit der Braut hinſollte, — und redete ihn gratulirend
an. Jener dankte vornehm, worauf der Dichter ihn nur er-
innerte ſeinen Nebenbuhler ſorgfaͤltig zu beobachten, weil ihm
dieſer gefaͤhrlich ſcheine. Er aber laͤchelte und erwiederte, es
ſey hier niemand, der es wagte ihm ſeine Braut zu beſtrei-
ten. Wenn es nun aber doch waͤre — ja wenn ſchon zwei
ſich eines gleichen Vortheils ruͤhmten.
Wer will —! wo iſt er? — Ich verderbe ihn. Der
Dichter nannte den Maltheſer und noch einen wollte er nicht
nennen, denn dieſer ſey der gefaͤhrlichſte, erſt muͤſſe man nur
den Maltheſer bei Seite ſchaffen, ſonſt waͤre mit dem andern
gar nichts zu machen. Der Stiftsherr wurde bei dieſem Na-

men gleich wieder freundlich und meinte, daß ſey ſein alter
Freund, der ihm gewiß nicht in dem Weg trete. (In der
Liebe hoͤrt alle Freundſchaft auf, erwiederte der Dichter, ſie
macht das Lamm zum Loͤwen, wie den Loͤwen zum Lamm.
So wollte er ſich denn gleich oͤffentlich mit der Graͤfin verſpre-
chen, und verlegen eilte er in den Tanzſaal.
Hier hatte unterdeſſen der Maltheſer von Eiferſucht und Liebe
trunken ſein Gluͤck verſucht und im Tanz ein ſuͤßes Wort an ſie ge-
richtet. Weil ſie ſchwieg hoffte er Gewaͤhrung — fuͤhrte ſie halb
gezwungen aus dem Saal und bedeckte ihre Hand mit Kuͤßen.
Ploͤtzlich erſchreckt, reißt ſie ſich los, nimmt des Barons Arm,
der ihr in der Thuͤre begegnete, um, ein Unwohlſeyn vorſchuͤtz-
end, von ihm nach Haus gefuͤhrt zu werden.
Eben wollte der Stiftsherr zur Graͤſin treten, als ſie ihm
raſch, am Arme des Barons, vorbeifliegt — er will ſie auf-
halten, aber indem er noch mit der Wahl der zierlichſten An-
rede beſchaͤftigt iſt, in welcher er ſich ihr oͤffentlich erklaͤren will,
iſt er ſchon uͤbergerannt. Er fiel beinah in des Dichters Arm
— der ihm ſagte: das fordert Blut! Seyn ſie ruhig ich bin
ihr Sekundant und ſorge fuͤr ihre Ehre. Mit dieſen Worten
eilte er fort —zum Maltheſer, welcher ſchon wieder im Tanze
ſtand. Er war ein aͤchter Ritter! bezwang die Bitterkeit ſei-
nes Gefuͤhls und machte gute Miene zum boͤſen Spiel.
 
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