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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 118-130 (Oktober 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0520

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Niro 124. Sonnabend den 16. Oktober 18N.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —

Rechte Liebe.

Erzählung von Ludwig Halirſch.

(Fortſetzung.)
vVII.
Der Amtmann hatte Recht: Fritz wußte, was er that,

und hatte es lange vorher durchdacht. Es war kein Ju-
gendſtreich, in einem leeren und müßigen Kopf ausgeheckt,

den er da vollführte, ſondern es war das Reſultat tüchti-

ger Lebenseinſicht, die den wahren Mann in allen ſeinen
Unternehmungen leitet.
Je laͤnger er das unklare Verhaͤltniß betrachtete, in
dem Lieschen zwiſchen ihm und Dornfeld ſtand, je peinli-
cher ward es ihm und je deutlicher überzeugte er ſich, daß
hier ein entſcheidender, wenn auch gewaltſamer Schritt
Noth thue. Er warb heimlich bei den Aeltern um ihre
Hand, und ſie ward ihm zugeſtanden, wenn das Maͤdchen
nichts dagegen haͤtte. Nun fragte er ſie ſelbſt, feſt und
ernſt, ob ſie ſein Weib werden wolle, und welchen Ein-
druck dieſe Frage auf Lieschen gemacht, haben wir in der

eben erzahlten Scene mit Dornfeld im Pavillon geſehen.

Wie der treuherzige, offene Fritz, den ſie ſeit ihrer erſten
Jugend immer von ganzer Seele geliebt, jetzt auf einmal

ſo bewegt, faſt wehmüthig vor ihr ſtand, wie ſeine dun-

keln, ſchönen Augen mit kaum verhehltem Schmerze in den

ihren die Entſcheidung dieſes ernſten Augenblickes zu leſen

verſuchten: da erkannte ſie mit inniger Beſchaͤmung, wie
unrecht ſie gethan, und wie ſie dieſes treue Herz ſo ganz
und gar mißverſtanden. Laut weinend warf ſie ſich in
ſeine Arme, wie ein Kind ſchlang ſie die weißen Haͤndchen
ſchluchzend um ſeinen Hals, und fluͤſterte ihm mit gebroch-
ner Stimme Alles, was ſie dachte und fuͤhlte, zu.
Fritz ſah mit Entzucken, daß er ſich nicht geirrt; Lies-
chens Liebe zu ihm war rechte Liebe; an Dornfeld
band ſie nur jugendliche Unerfaͤhrenheit, leichter Sinn und
wohl auch maͤdchenhafte Eitelkeit, die ſich an ſeinen Aus-—
zeichnungen erfreute. Verhehlen aber durfte er ſich dabei
keineswegs die Gefahr, welche nicht allein ſeine Hoffnun-
gen bei den gegenwaͤrtigen Verhaͤltniſſen bedrohe, ſondern
auch Lieschens kuͤnftige Ruhe. Denn handelte Dornfeld
auch ehrlich und bot er dem Maͤdchen ſeine Hand, ſo konnte
doch aus dieſer ungleichen Verbindung, nach Fritzens in-
nerſter Ueberzeugung, wenig Glück fuͤr beide entſprieſſen,
und früher oder ſpaͤter mußte fruchtloſe Reue dem unbe-
dachten Schritte folgen.
Nachdem er ſonach Alles genau erwogen, ſtand er nicht

laͤnger an, die Vorkehrungen zu treffen, welche er am

zweckmaͤßigſten für die Ruhe Aller hielt. Eine kleine Erb-
ſchaft, die er vor Kurzem in die Haͤnde bekommen hatte,
verwendete er darauf, um ſich in einer ziemlich einſamen
und entfernten Gebirgsgegend anzupachten. Hieher wollte
er Lieschen bringen, und da er von der noch jugendlichen
 
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