Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

DOI Kapitel:
No 79-91 (Juli 1824)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0376

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nis 89. Montag den 3. Juli 184.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit

dem echten Chriſtenthum! —

Friede und Segen den Hütten! —

Glück im Unglück.

(Forrſetzung.)
Allmäͤlig vertheilt ſich der Kreis, die Spieltiſche werden
geordnet, geoͤffnete Flügelthüren bringen die hellerleuchteten
Saͤle in Verbindung, und die fröhliche Bewegung in dem
einen wird für die Gäſte im andern ein heitres Gemaͤlde
ohne Stoͤrung. Ein junges Maͤdchen ſetzt ſich an's Clavier,
und man tanzt polniſche Walzer. Der raſche Tanz ver-
mehrt die Waͤrme im Zimmer; ein noch lebhafteres erhiz-
zendes Spiel folgt ihm. Dem ſonſt in jeder Bewegung
ſo leichten und gewandten Guſtav wird augenſcheinlich ſeine
Kleidung zur Laſt. Endlich fragt laͤchelnd die junge Graͤfin:
„aber ich bitte Sie, Herr Baron, bei welchem Heiligen
haben Sie denn geſchworen, dieſen Abend zu erſticken?“ —
„Wie ſo? mir iſt ſehr wohl!“ antwortet Guſtav verlegen. —
»Kann Ihnen denn wohl ſeyn in ſolcher Waͤrme? Dieſer
Ueberrock iſt hier wahrlich zu viel; innerhalb unſerer Saͤle
haben Sie den Einfluß des Clima's nicht zu ſcheuen.“ —
„Nein, ſicher nicht!“ erwiedert Guſtav mit erzwungenem
Scherz; „aber in Frankreich kleidete man ſich ſo, und des-
halb behalte ich die Sitte gern bei.“ — „Dann ſpielt man
in Frankreich gewiß nicht ſo lebhafte Spiele!“ antwortet
ein junges Maͤdchen. „Baron!“ ruft jetzt eine andre Dame;
„mir wird aͤngſtlich zu Muth, wenn ich Ihren Ueberrock
anſehe. Legen Sie ihn ab, ich bitte Sie!“ — „Nein,

wahrlich nicht!“ antwortet Guſtav beſtuͤrzt: „jetzt würde ich
mich erkaͤlten.“ — „Erkaͤlten?“ fragt die Graͤfin wieder;
„das iſt ja eine Beleidigung fuͤr meine Zimmer! Finden
Sie es denn kalt hier?“ — „Das nicht!“ beginnt Guſtav
mit gluͤhender Röthe, „aber .. ..“ „Nun geſchwind, ſo
legen Sie den häͤßlichen Ueberrock ab!“ — „Er thut es
gewiß!“ verſichert eine freundliche Stimme aus der Ferne.
„Er wird es nicht thun!“ unterbricht ſie eine andre ſchaͤr⸗
fere. „Er muß es thun!“ ruft ſcherzend die junge Graͤfin.
„Wir wollen keine offne Empoͤrung leiden, und lieber ſelbſt
unſer Recht behaupten!“ — Sogleich ſieht ſich Guſtav von
dem ganzen Kreiſe junger Damen umringt, die neckend,
ſcherzend und ſchmaͤlend auf ſeinen Ueberrock eindringen.
Lachen ertoͤnt von einem Ende des Saales bis zum andern;
der arme Umzingelte bittet vergeblich um Gnade; eine
der Amazonen zieht kraftiger als die übrigen; der Aermel
des Ueberrocks weicht, und ach! ein Kleid ohne Aermel,
und die zwar ſchneeweiße, aber grobe Leinwand des Hemd-
aͤrmels wird ſichtbar. Auf einmal verſtummt die laute
Freude, und Guſtav iſt — nur zu ſpaͤt — von allem An-
griff befreit. Aber in keinem Geſicht zeigt ſich ein hoͤh—
nendes Laͤcheln, jeder erraͤth die Lage des jungen Emi-
granten und jeder ſchweigt. Auch die Lebhaftigkeit des
Spiels iſt durch die Unterbrechung gehemmt; ein ganz

anderes Gefühl, als das des Spottes, hat wie mit elektri-
ſchem Schlage das Herz aller Anweſenden bewegt. Allein
 
Annotationen