Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nir 68. Montag den 7. Juni 184.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Ovid's Apologie.
Was rügſt du gierer Neid mir denn mein ſtilles Leben,
Und nennſt mein Lied des traͤgen Sinnes Spiel?
Weil, Ahnengleich, nach ſtaub'gem Kriegesruhm zu ſtreben
Nicht meiner kraͤft'gen Maͤnnerjahre Ziel;
Weil der Geſetze Plauderformeln ich nicht lernte
Und oͤffentlich die Rechte preiß nicht gab —,
Vergaͤnglich iſt diel — ew'gen Ruhm ſtreb' ich zu aͤrndten,
Daß mit der Welt nur geh' mein Nam' zu Grab.
Homer lebt, ſo lang Tenedos und Ida ſtehen,
So lang des Simois Fluth zum Meere ſchwellt,
Der Sänger Askras * lebt, ſo lang ſich Trauben blaͤhen,
So lang in krumme Furchen Ceres faͤllt.
Des Battus Enkel *) lebt einſt auf der Nachwelt Lippen,
Obwohl Natur nicht, Kunſt nur aus ihm weht:
Des Sophokles Cothurn befuͤrchte keine Klippen,
Mit Sonn' und Mond auch Aratus beſteht.
Wo liſt'ge Diener, harte Vaͤter, ſuͤße Dirnen
Und Kupplerinnen, wird Menander ſeyn:
Du biedrer Ennius, hehrer Accius, den Geſtirnen
Traͤgt wohl die Zeit einſt eure Namen ein.
Welch Alter ſollte Varros erſten Kahn nicht nennen,
) Ovid. Amor. I. eleg. 15. als Probe einer nächſtzuerſcheinenden
kompletten Ueberſetzung der Liebeslieder dieſes Dichters.
**) Heſiod.
*+) Kallimach.
Das gold'ne Fell, wonach einſt Jaſon rang?
Dann wird, Lucretius, dein Gedicht nur ſinken können,
Wenn ſich die Erde neigt zum Untergang.
Die Saaten, Schaͤfer und Aeneas ſind unſterblich,
So lange Rom des Erdrunds Fuͤrſtin bluͤht;
So lang Cupidos Waffen, Pfeil und Gluth verderblich,
Zartſinniger Catull, preiſt man dein Lied.
Im Morgen und im Abend wird ſtets Gallus leben
Und Lycoris von der ſein Lied erklang
Wenn Marmorhaufen, wie der Pflug, zum Nichtſeyn ſchweben,
Der Zeit erliegend, — bleibet noch der Sang.
Dem Liede weicht der Fuͤrſt im Sieggepraͤnge,
Ihm weicht des Tagus golddurchthaute Well':
Pygmäen ſtaun' das Volk — mir beu' der Gott der Saͤnge
Den ſüßen Becher voll Caſtaliens Quell!
MeinHaupt mag rings der Kaͤlte Feind, die Myrthe, kroͤnen —
Einſt liest der Liebende oft mein Gedicht;
Nur Lebende trifft Neid, im Tode ſchweigt ſein Hoͤhnen,
Da iſt's wo das Verdienſt uns Lorbeern flicht:
So ſterb' auch ich, wenn mir des Todes Worte dröhnen,
Für meinen Ruhm und für die Nachwelt nicht!
Manfred.
—— — — ——— — — —— — — —f..— — — —
Die beiden Ringe.
(Forrſetzun g.)
Wenn Ferdinand kam, (und es geſchah oft während des
Sommers und Herbſts, auch ſelbſt da noch, als ſchon die
Nir 68. Montag den 7. Juni 184.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Ovid's Apologie.
Was rügſt du gierer Neid mir denn mein ſtilles Leben,
Und nennſt mein Lied des traͤgen Sinnes Spiel?
Weil, Ahnengleich, nach ſtaub'gem Kriegesruhm zu ſtreben
Nicht meiner kraͤft'gen Maͤnnerjahre Ziel;
Weil der Geſetze Plauderformeln ich nicht lernte
Und oͤffentlich die Rechte preiß nicht gab —,
Vergaͤnglich iſt diel — ew'gen Ruhm ſtreb' ich zu aͤrndten,
Daß mit der Welt nur geh' mein Nam' zu Grab.
Homer lebt, ſo lang Tenedos und Ida ſtehen,
So lang des Simois Fluth zum Meere ſchwellt,
Der Sänger Askras * lebt, ſo lang ſich Trauben blaͤhen,
So lang in krumme Furchen Ceres faͤllt.
Des Battus Enkel *) lebt einſt auf der Nachwelt Lippen,
Obwohl Natur nicht, Kunſt nur aus ihm weht:
Des Sophokles Cothurn befuͤrchte keine Klippen,
Mit Sonn' und Mond auch Aratus beſteht.
Wo liſt'ge Diener, harte Vaͤter, ſuͤße Dirnen
Und Kupplerinnen, wird Menander ſeyn:
Du biedrer Ennius, hehrer Accius, den Geſtirnen
Traͤgt wohl die Zeit einſt eure Namen ein.
Welch Alter ſollte Varros erſten Kahn nicht nennen,
) Ovid. Amor. I. eleg. 15. als Probe einer nächſtzuerſcheinenden
kompletten Ueberſetzung der Liebeslieder dieſes Dichters.
**) Heſiod.
*+) Kallimach.
Das gold'ne Fell, wonach einſt Jaſon rang?
Dann wird, Lucretius, dein Gedicht nur ſinken können,
Wenn ſich die Erde neigt zum Untergang.
Die Saaten, Schaͤfer und Aeneas ſind unſterblich,
So lange Rom des Erdrunds Fuͤrſtin bluͤht;
So lang Cupidos Waffen, Pfeil und Gluth verderblich,
Zartſinniger Catull, preiſt man dein Lied.
Im Morgen und im Abend wird ſtets Gallus leben
Und Lycoris von der ſein Lied erklang
Wenn Marmorhaufen, wie der Pflug, zum Nichtſeyn ſchweben,
Der Zeit erliegend, — bleibet noch der Sang.
Dem Liede weicht der Fuͤrſt im Sieggepraͤnge,
Ihm weicht des Tagus golddurchthaute Well':
Pygmäen ſtaun' das Volk — mir beu' der Gott der Saͤnge
Den ſüßen Becher voll Caſtaliens Quell!
MeinHaupt mag rings der Kaͤlte Feind, die Myrthe, kroͤnen —
Einſt liest der Liebende oft mein Gedicht;
Nur Lebende trifft Neid, im Tode ſchweigt ſein Hoͤhnen,
Da iſt's wo das Verdienſt uns Lorbeern flicht:
So ſterb' auch ich, wenn mir des Todes Worte dröhnen,
Für meinen Ruhm und für die Nachwelt nicht!
Manfred.
—— — — ——— — — —— — — —f..— — — —
Die beiden Ringe.
(Forrſetzun g.)
Wenn Ferdinand kam, (und es geſchah oft während des
Sommers und Herbſts, auch ſelbſt da noch, als ſchon die