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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 79-91 (Juli 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0372

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nis 88. Sonnabend den 2. Juli 1824.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —

G lück im ung lhü ſck.

(Fortſetzun g.)
Sein Olymp war des Grafen Zatinsky glaͤnzendes Hotel,
wo er mit immergleicher Freundſchaft empfangen ward,
und ſicher war, die ausgezeichnetſte Geſellſchaft von War-
ſchau zu finden. Nichts konnte ſeltſamer und abentheuer-
licher ſeyn, als ſeine Lebensweiſe von dieſer Zeit an. Am
Morgen wetteiferte er mit den Handwerkern, und ſtand
Abends auf gleicher Stufe mit den Magnaten; koſtete dort
gutlaunig Meiſter Lowisky's kraͤftigen Kornbranntwein,
und leerte hier mit irgend einem Prinzen eine Flaſche To-
kaier; ſcherzte heute mit der niedlichen Theophilka, und
bot morgen den erſten Schoͤnheiten der Hauptſtadt die Hand
zur majeſtätiſchen Polonaiſe. Allein eben dieſe Hand, welche
beim Tanz durch den bedeckenden Handſchuh vor jeder
Be obachtung geſichert ward, wäre hei einem andern Anlaß
beinahe ſeine Verraͤtherin geworden. ö
Eines Abends verkuͤrzte man ſich in einem heitern Kreiſe
durch geſellſchaftliche Spiele die Zeit. Unter anderen kam
die Reihe auch an die bekannte Neckerei, wo ein Mitglied
der Geſellſchaft von allen übrigen nach einander ſo lange
einen Schlag auf die Hand bekommt, bis es den Schla⸗—
genden erraͤth. Das Loos traf die Graͤfin Louiſe, ihre
ſchöne Hand dieſen muthwilligen, wenn gleich ſehr leiſen
und ſchonenden Schlaͤgen auszuſetzen. Nach vielen andern

trat auch Guſtav hinzu, ſeinen Schlag auszutheilen; doch
kaum hatte er die Hand der Gräͤfin beruͤhrt, als ſie zuver-
ſichtlich ausrief: „das iſt Herr von Belville! ich irre mich
gewiß nicht.“ — „Woher die Gewißheit?“ fragen meh-
rere neugierig. „Ich wollte ſeine Hand unter tauſenden
erkennen!“ ſetzt Louiſe unbeſonnen hinzu. „Hat ſie eine
verborgene Zauberkraft?“ fragt ihr Vater laͤchelnd. Nein!“
antwortet die Tochter ein wenig verlegen. Nur weil ...
aber Sie müſſen verzeihen, Herr Baron!“ Der über-
raſchte Juͤngling antwortet durch eine ſtumme Verbeu-
gung, und Louiſe faͤhrt fort: „Herr von Belville ſchlaͤgt
nicht im Mindeſten unſanft, aber ich weiß nicht wie es
kommt, ſeine Hand iſt ein wenig haͤrter als die uͤbrigen.“
— „Vortrefflich!“ unterbrach ſie der Graf mit freundlichem
Scherze: „eine rauhe Hand und ein mildes Herz, das be-
zeichnet den aͤchten Krieger!“ — Doch ſogleich verlangt
von der andern Seite eine Schaar muthwilliger Frauen
des Barons Hand zu ſehen. „Ja wahrlich, ſie iſt auch zu
rauh! war das einſtimmige Urtheil; ſie ſcheint recht ab-
ſichtlich gehaͤrtet. Geſtehen Sie nur gleich, Baron, wel-
ches Handwerk Sie treiben!“ — Dieſer unbedeutende
Scherz brachte den armen Guſtav aus aller Faſſung; allein
waͤhrend ihm noch die noͤthige Geiſtesgegenwart fehlte,
überhoben ihn ſchon andre neckende Stimmen der Antwort,
und die Vertheidigung ward ihm von ſeinen muthwilligen
Richterinnen erlaſſen. — ö
 
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