Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nio 39. Mittwoch den 31. Maͤrz 1824.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Seguidilla's.
— I.
Wenn die klare, reine Sonne
Ihren Strahlenlauf vollbracht,
Sinkt des Tages kurze Wonne,
Sinkt die Welt in Todesnacht.
Du biſt Sonne, o Geliebte!
Da ſich mir dein Auge trübte,
Sank ich ſtarr in Todesnacht!
II.
Als man einſt der Phantaſie
Einen Malerpinſel lieh,
Ward die Welt zur Arbeitſtaͤtte
Wolkenhimmel zur Palette.
Auf der Erde aber loͤste
Sich die Farbenpracht darauf
Schnell in Regentropfen auf.
III.
Der engen Wiege Kindertraum:
Der engen Schule kleiner Raum;
Das enge Grab; des Liebchens Herz,
Erregt dem Knaben tiefen Schmerz.
Im kleinſten Raum', im treuen Herzen
Hat er den Himmel aufgefunden,
Wenn er der Liebe Werth empfundenn
IV.
Wenn ich oftmals ſehnend dein geharrt,
Liebe, die mich unerkannt umfaͤchelt,
Hat dein ſuͤßes Bild mir ſtets gelaͤchelt
In verborgener Allgegenwart!
Und ſo lernt' ich liebend Gott umfaſſen!
Ob auch Erd' und Himmel von mir laſſen,
Wohl! weiß ich doch ihn allgegenwaͤrtig!
Gervinu 5.
„ ———
2——244 — — —— — —ñ2 —. —
Die Erhebung.
(Sch luſß.)
Sieh da! rief es wieder, ohne die Lippen zu bewegen, aus
der Geſtalt und die Glocken ſchwiegen, das Rad ſtand, die
Wieſen vertrockneten, der unendliche Himmel entwich in
größerer Ferne und die Strahlen der Geſtalt ſchloſſen ſich dicht
um ſie her. Da regte ſich die ſchwarze Spinne langſam,
mechaniſch zur Seite, und oͤffnete die langen Augendeckel
und zog aus der Wolke einen Stern herab. Und die Men-
ſchen darauf waren ohne Herzen und ihre Bruſt war leer,
und kein Glaube belebte ſie, und kein Chriſtus beſeeligte
ſie. Aber ihre Koͤrper moderten, dieweil ſie lebten, und
ihhre Seelen zerquaͤlten ſich in wechſelſeitigem Haſſe; ihre
Namen hatten die Winde in Unzahl verweht und ſie ſanken
in ewigem Falle durch die Ewigkeit hin und der Vernich-
Nio 39. Mittwoch den 31. Maͤrz 1824.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Seguidilla's.
— I.
Wenn die klare, reine Sonne
Ihren Strahlenlauf vollbracht,
Sinkt des Tages kurze Wonne,
Sinkt die Welt in Todesnacht.
Du biſt Sonne, o Geliebte!
Da ſich mir dein Auge trübte,
Sank ich ſtarr in Todesnacht!
II.
Als man einſt der Phantaſie
Einen Malerpinſel lieh,
Ward die Welt zur Arbeitſtaͤtte
Wolkenhimmel zur Palette.
Auf der Erde aber loͤste
Sich die Farbenpracht darauf
Schnell in Regentropfen auf.
III.
Der engen Wiege Kindertraum:
Der engen Schule kleiner Raum;
Das enge Grab; des Liebchens Herz,
Erregt dem Knaben tiefen Schmerz.
Im kleinſten Raum', im treuen Herzen
Hat er den Himmel aufgefunden,
Wenn er der Liebe Werth empfundenn
IV.
Wenn ich oftmals ſehnend dein geharrt,
Liebe, die mich unerkannt umfaͤchelt,
Hat dein ſuͤßes Bild mir ſtets gelaͤchelt
In verborgener Allgegenwart!
Und ſo lernt' ich liebend Gott umfaſſen!
Ob auch Erd' und Himmel von mir laſſen,
Wohl! weiß ich doch ihn allgegenwaͤrtig!
Gervinu 5.
„ ———
2——244 — — —— — —ñ2 —. —
Die Erhebung.
(Sch luſß.)
Sieh da! rief es wieder, ohne die Lippen zu bewegen, aus
der Geſtalt und die Glocken ſchwiegen, das Rad ſtand, die
Wieſen vertrockneten, der unendliche Himmel entwich in
größerer Ferne und die Strahlen der Geſtalt ſchloſſen ſich dicht
um ſie her. Da regte ſich die ſchwarze Spinne langſam,
mechaniſch zur Seite, und oͤffnete die langen Augendeckel
und zog aus der Wolke einen Stern herab. Und die Men-
ſchen darauf waren ohne Herzen und ihre Bruſt war leer,
und kein Glaube belebte ſie, und kein Chriſtus beſeeligte
ſie. Aber ihre Koͤrper moderten, dieweil ſie lebten, und
ihhre Seelen zerquaͤlten ſich in wechſelſeitigem Haſſe; ihre
Namen hatten die Winde in Unzahl verweht und ſie ſanken
in ewigem Falle durch die Ewigkeit hin und der Vernich-