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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 79-91 (Juli 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0384

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S
——3



Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Ned 91.

Sonnabend den 31. Juli 1824.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —

Glückim unglü ck.

(Forrſetzun g.)
„Herr Graf!“ antwortete Guſtav laͤchelnd, „man will und
fordert dort von dieſer Gottheit nur, was Zoroaſter von
der Seinigen verlaͤngte: die Wärme ihrer Strahlen.“ —
„Immer ausweichend!“ erwiederte der Graf ſehr ernſt;
„wahrlich Sie gehen zu weit! Wir geben den Franzoſen
Schuld, daß ſie unbeſtaͤndig in ihren »Neigungen ſind;
aber ſie ſcheinen hartnaͤckig in ihrem Entſchluß, und ver-
ſchwiegen bis zum Starrſinn, wenn man ihren Kummer
theilen moͤgte. — Das reitzt freilich, das zieht an; aber
es ſchmerzt auch, und mir iſt es unbegreiflich!“ ſetzte er,
faſt unwillig zurücktretend, hinzu. — Allein ſo tief Guſtav
dieſe erſte, wenn gleich nur augenblickliche Verſtimmung
ſeines Freundes gegen ihn empfand; ſein Benehmen blieb
dennoch daſſelbe, und auch ſeine Beſuche wurden nicht wie-
der haͤufiger. —
Von der Hoffnung ſich Licht zu verſchaffen, ja vielleicht
einem Unglücklichen nuͤtzen zu koͤnnen, und zugleich von ſei-
ner eigenen Neugier getrieben, kehrte indeſſen der Graf
nach einiger Zeit in die Wohnung des Tiſchlers zurück.
„Nun, Freund! was macht euer froͤhlicher Saͤnger?“ war
ſeine erſte Frage. „Ach, gnaͤdiger Herr,“ antwortete
Theophilka, „er iſt kein froͤhlicher Saͤnger mehr. Er ſingt
jetzt ſelten, und dann immer ein anderes Lied nach einer

ſchwermuthigen Melodie.“ Indem ſie noch ſprach, hoͤrte
man in ernſten, faſt wehmüthigen Toͤnen die folgenden
Worte ſingen:
So lebe wohl! — des Diademes Schimmer
Schmückt bald vielleicht dein jugendliches Haupt.
Wo auch Louiſe weilt, ach! Herrin bleibt ſie immer,
Ob reich geſchmückt, ob jedes Schmucks beraubt.
Der Flüchtling darf zu ihr den Vlick nicht heben;
Von dem Verbannten iſt ja Hoffnung fern:
nmur Muth und Ehre leuchten ſeinem Leben,
Ein ungetrennter, ſegnend heller Stern.
Ja, Muth und Ehre! — Wenn auf ſeinen Wegen,
Ach! nimmermehr ein Kranz der Liebe grünt,
Mild tön' ihm dann wie Friedensgruß entgegen:
„Hier unerreicht, doch dort vielleicht verdient!“

Immer weicher, immer bewegter war waͤhrend des Ge-
ſanges der Ausdruck der Stimme geworden; jetzt ſchwieg
ſie. — „Alſo Louiſe!“ wiederholte der Graf leiſe für ſich
nicht ohne Ruͤhrung; „wie, wenn es Guſtav waͤre, und
meine Tochter dieſe Louiſe? Dann würde ſein verſchloſſe-
nes Weſen, ſein kraͤnkendes Zuruͤckziehen begreiflich; ja,
es haͤtte Achtung und zwiefache Theilnahme verdient.“ —
Nachdenkend verließ er die Wohnung des Tiſchlers, nach-
dem ihm Theophilka noch ein halbzerrißnes, zuſammenge-
kraͤuſeltes Blaͤttchen Papier gegeben hatte, auf dem, wie
ſie ſagte, die Handſchrift des fremden Arbeiters zu ſe-
hen ſey. ö
 
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