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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 40-51 (April 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0217

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2——

Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nio 50. Montag den 3. April 18.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

3 b ye hoen.

Frei nach der Königinhofer Handſchrift *) bearbeitet.
Von Baum zu Baume flatternd ein ſanfter Taͤuber flog,
Von Schloß zu Schloße klagend ein edler Ritter zog,
Und durch die Blaͤtter ſaͤuſelt des Täubers Liebesſchmerz,
Und durch die Waͤlder brauſet des Ritters raͤchend Erz.

„O armes, ſuͤßes Liebchen, das Zbyhon mir entriß,
„Und in den goldnen Kerker mit wildem Hohne ſtieß!
„Nun iſt der Wald mir enge, das ſeidne Neſt mir oͤd',
„Seit dort im goldnen Kaͤfig dein Herz in Schmerz vergeht!“

Und drauf, das Schwert erhebend, der Ritter ruft ſo laut:
„„Fluch dir du frecher Zbyhon, Fluch, Raͤuber meiner Braut!
„„O daß ich dich erblickte auf deinem Felſenſitz:tt
vO daß ich dich zerſtuckte mit meines Stahles Blitz

Und waldwaͤrts fliegt der Taͤuber mit bangem Klaggeſang,
Und waldwaͤrts zieht der Ritter in wildem Raͤcherdrang:
Da waͤchſt vor ihren Blicken des Räubers Veſte auf,
Gebaut aus Stahl von unten bis hin zum Thurmesknauf.

„Ach hätt' ich ſtarke Waffen, wie du o Rittersmann,
„Geſtaͤhlt aus feſtem Erze, dann ſtuͤrmt' ich kühn hinan,
„Und ſchwänge hoch den Wurfſpieß und führte kraͤft'gen Hieb
„Zerſchmetterte den Raͤuber und loͤſ'te mir mein Lieb'!“

) Eine Sammlung böhmiſcher Originalgedichte aus dem 12. Jahr-
hunderte. ö

„O haͤtt' ich Armer Schwingen, wie ſchwacher Täuber, du,
»„„Dann brauſt' ich durch die Lüfte und ſchoͤß' dem Recken zu,
„Und ſchwaͤng' die ſchwere Waffe und ſpaltete ſein Herz
„Und trüg die ſüße Huldin aus ſeiner Veſte Erz!“

Und rings die Burg umgeht er, umſpaͤht den Rieſenraum,
Und vor dem Thore ſteht er, gewölbt aus Ebenbaum:
Da ſtaͤrkt ihn neue Hoffnung, er ſtuͤrzt in Waldes Schooß,
Und zwingt aus ihren Wurzeln die höchſte Eiche los.

Stürmt wieder hin zum Thore, und ſchlaͤgt und tobt mit Macht,
Daß waldentlang ſein Wuͤthen, wie Donner, niederkracht;
Und wüthender ſtets raſ't er mit Schwert und Eichenſtamm,
Da bricht entzwei der Riegel, die Flügel all zuſamm'.

Durch brauſ't der Ritter fragend: Wo weilt der freche
Wicht?
Und von dem Thurmesgiebel der Täuber girrend ſpricht:
„Im tiefſten Saal dahinten, da ruht er geil und weich,
„Bei ihm mein Lieb' gefangen, das deine thraͤnenbleich.“

„Tod deiner Ruhe, Raͤuber, trotz Ehr' und Ritter-

thum! — “ ö
Und ſchon im Saale ſteht er, und ſchwingt ſein Schwert
herum,

Und wie er's hoch erhebet, ein Greif, wohl blutigroth,
So ſinkt es auf den Recken mit tauſendfachem Tod.
 
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