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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 79-91 (Juli 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0340

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nis 80. Montag den 5. Juli 1824.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit

dem echten Chriſtenthum! —

Friede und Segen den Hütten! —

Der bekehrte Schwärmer.

(Sche lu 6.)
Es war eine minutenlange Todtenſtille. Derſelbe verlor
jedoch den Muth nicht und fragte nun mit gleichlauter
Stimme: „Wer da?“ „Frecher, ſprach da der Ritter, wie
magſt du dich erkühnen zu ſolch unziemlicher Rede in mei-
ner Veſte. Weißt du nicht, daß mein tiefſtes Verließ dir
auf immer zu rauben vermag des Tages erfreuliches Licht.
Tritt naͤher und ſprich, ob du Unredliches hier beginnen
wollteſt oder ob dein kecker Fuß ſich nur dahin verirrte,
wo deines Rechts nicht iſt. Iſt das Erſtere der Fall, dann
magſt du die Schaͤrfe meines Schwertes fuhlen; im andern
Fall magſt du von dannen ziehen, nachdem du abgelegt,
was du an Werth mit dir fuͤhrſt.“ Teutmar war wie ver-
ſteinert. Er wußte nicht, war es Selbſttaͤuſchung, Gaunerei
oder Wirklichkeit. Er ſtaunte die unbegreifliche Ritterfigur
an und ſah an deren mächtigem Körperbau und an den
kraftvollen Armbewegungen nur zu deutlich, daß er kein
Fantaſie⸗Gebild vor ſich habe. Dennoch verlor er die
Geiſtesgegenwart ſo wenig, daß er auf den Gedanken kam,
ein Spaßvogel wollte ihn hier zum Beſten haben und er
ſprang daher in raſchem Lauf auf den Ritter zu, um ſich
deſſelben zu bemaͤchtigen. Dieſer aber empfing ihn mit
einem ſo unſanften Stoß, daß Teutmar rücklings zu Boden
ſturzte. „Knappen heraus“ rief nun der Ritter mit don-
nernder Stimme und der Garderobe-Traͤger furchtbar

lärmend in der Hoͤhle, als ob der Knappen ein ganzes
Dutzend waͤre, ſtüͤrzte mit gewaltiger Keule hervor. Da
ſah Teutmar, der ſich wieder aufgerafft hatte, daß er der
Uebermacht weichen müſſe, und auf die wiederholten früͤ—
heren Fraͤgen des Ritters ſtand jener nun dahin Rede:
daß nur Liebe zu dem Alterthümlichen und zu dem groß-
artigen Ritterthum ihn hieher geführt habe. Iſt das,
ſprach der Ritter, dann magſt du für diesmal in Frieden
von dannen ziehen; doch nimm ihm, Knappe, für ſeinen
Vorwitz ab, was uns zu nützen vermag. Der Knappe
durchſuchte nun die Taſchen des Geaͤngſtigten und dieſer
mußte zuſehen, wie ihm eine goldene Uhr, eine ſilberne
Tabacksdoſe und ein mit Silber beſchlagener Pfeifenkopf,
lauter Andenken von geliebten Haͤnden, abgenommen
wurde. Darauf ſprach der Ritter, ſein Schwert einſteckend,

in deklamatoriſchem Pathos zu Teutmar'n:

„Fleuch, Fremdling, nun aus Ritter Kuno's Wehre
Und dank' dein Leben ſeiner Gutigkeit.
Was dir geſchehn, ſey küͤnftig dir zur Lehre. —
Es iſt ſo Brauch der goldnen Ritterzeit.“
Kaum war Teutmar die lezte Terraſſe hinabgeſtiegen, ſo
lachte der Deklamator herzlich des koͤſtlich gelungenen
Streichs. Doch ſchien es ihm nicht raͤthlich, nun laͤn—
ger hier zu hauſen. Die Gaͤrderobe wurde ſchnell einge-
packt und beide Abentheurer ſuchten auf bekanntem Wege
durch das Dickicht des Waldes das Weite. ö
Teutmar ſtand noch am Fuße des Berges und ſah mit
 
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