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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nid 92. Montag den 2. Auguſt 183.
Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! —
Friede und Segen den Hütten! —
Das Dorfmädchen.
An den fernen Lieben.
Wenn ich will der Andacht pflegen
Wie es wohl den Mädchen ſteht,
Singen aus dem Liederbuche,
Wo voran der Kuͤſter geht,
Weicht bald Andacht aus der Seele,
Und das Lied ſtockt in der Kehle.
Blattr' ich nur im Liederbuche,
Fern wird bald der Sinn gelenkt,
Schau' ich an die bunten Bilder,
Die du, Suͤßer, mir geſchenkt;
Auf den Blaͤttern ſteht dein Lieben,
All dein Sinnen eingeſchrieben.
Und ſo iſt verſchwebt mein Sinnen,
All mein Dichten nur bei dir,
Schweift das Herz mir in die Ferne,
In die Ferne weit von hier.
O die Bilder wollt' ich laſſen,
Koͤnnt' ich nur dich ſelbſt umfaſſen.
Con z.
Glückim ung hü äck.
(Sch lu ſß.)
„Ich errathe, was in deinem Herzen vorgeht,“ begann
er ſanft, doch mit vaͤterlichem Ernſt. „Warum entziehſt
du mir dein Vertrauen? warum verbirgſt du mir, weſſen
Bild dich ſo zerſtreuend beſchaͤftigt?“ — „Darum, mein
Vater,“ antwortete Louiſe ſanft erroͤthend, „weil ich es
mir ſelbſt erſt ſeit Kurzem vertraute.“ — „Nun, und jetzt,
da dir dein Gefühl klar geworden iſt ?“?.. „Mein
Vater,“ beginnt ſie mit ſchüchternem Laͤcheln, „erinnern
Sie ſich noch des Kleides ohne Aermel?“ — „Alſo Herr
von Belville.? Meine Ahnung betrog mich nicht.“ — „Ich
will es nicht verhehlen, ſein edler Stolz, ſeine Selbſtbe-
herrſchung an jenem Abend hat mich lebhaft bewegt. Er
iſt Ihnen ſo aͤhnlich! Mir iſt als liebte ich Sie doppelt,
ſeit ich ihn kennen lernte.“ — „Aber genügt denn das?“
unterbrach ſie der Graf, ſeine Rührung verbergend. „Wer
bürgt dir dafuͤr, daß auch ſein Herz dich waͤhlte ?“ —
„Davon bin ich gewiß!“ antwortet Louiſe mit ruhiger
Zuverſicht. „So hat er dir geſagt?“ ... fraͤgt der Graf
mit gerunzelter Stirn. „Nicht doch, mein Vater!“ erwie-
dert ſie, und ein feines, doch kindlich- offenes Laͤcheln
umſpielt noch einmal die bluͤhenden Lippen: „er hat ſich
ſo viele Muͤhe gegeben, es mir zu verbergen daß ich es
2—
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nid 92. Montag den 2. Auguſt 183.
Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! —
Friede und Segen den Hütten! —
Das Dorfmädchen.
An den fernen Lieben.
Wenn ich will der Andacht pflegen
Wie es wohl den Mädchen ſteht,
Singen aus dem Liederbuche,
Wo voran der Kuͤſter geht,
Weicht bald Andacht aus der Seele,
Und das Lied ſtockt in der Kehle.
Blattr' ich nur im Liederbuche,
Fern wird bald der Sinn gelenkt,
Schau' ich an die bunten Bilder,
Die du, Suͤßer, mir geſchenkt;
Auf den Blaͤttern ſteht dein Lieben,
All dein Sinnen eingeſchrieben.
Und ſo iſt verſchwebt mein Sinnen,
All mein Dichten nur bei dir,
Schweift das Herz mir in die Ferne,
In die Ferne weit von hier.
O die Bilder wollt' ich laſſen,
Koͤnnt' ich nur dich ſelbſt umfaſſen.
Con z.
Glückim ung hü äck.
(Sch lu ſß.)
„Ich errathe, was in deinem Herzen vorgeht,“ begann
er ſanft, doch mit vaͤterlichem Ernſt. „Warum entziehſt
du mir dein Vertrauen? warum verbirgſt du mir, weſſen
Bild dich ſo zerſtreuend beſchaͤftigt?“ — „Darum, mein
Vater,“ antwortete Louiſe ſanft erroͤthend, „weil ich es
mir ſelbſt erſt ſeit Kurzem vertraute.“ — „Nun, und jetzt,
da dir dein Gefühl klar geworden iſt ?“?.. „Mein
Vater,“ beginnt ſie mit ſchüchternem Laͤcheln, „erinnern
Sie ſich noch des Kleides ohne Aermel?“ — „Alſo Herr
von Belville.? Meine Ahnung betrog mich nicht.“ — „Ich
will es nicht verhehlen, ſein edler Stolz, ſeine Selbſtbe-
herrſchung an jenem Abend hat mich lebhaft bewegt. Er
iſt Ihnen ſo aͤhnlich! Mir iſt als liebte ich Sie doppelt,
ſeit ich ihn kennen lernte.“ — „Aber genügt denn das?“
unterbrach ſie der Graf, ſeine Rührung verbergend. „Wer
bürgt dir dafuͤr, daß auch ſein Herz dich waͤhlte ?“ —
„Davon bin ich gewiß!“ antwortet Louiſe mit ruhiger
Zuverſicht. „So hat er dir geſagt?“ ... fraͤgt der Graf
mit gerunzelter Stirn. „Nicht doch, mein Vater!“ erwie-
dert ſie, und ein feines, doch kindlich- offenes Laͤcheln
umſpielt noch einmal die bluͤhenden Lippen: „er hat ſich
ſo viele Muͤhe gegeben, es mir zu verbergen daß ich es