Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0234
DOI Kapitel:
No 52-65 (Mai 1824)
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- Einband
- [Vorbemerkung]
- Inhalt
-
No 1-13 (Januar 1824)
-
No 14-25 (Februar 1824)
-
No 26-39 (März 1824)
-
No 40-51 (April 1824)
-
No 52-65 (Mai 1824)
-
No 66-78 (Juni 1824)
-
No 79-91 (Juli 1824)
-
No 92-104 (August 1824)
-
No 105-117 (September 1824)
-
No 118-130 (Oktober 1824)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
MI
V ......
—
„ ——————
—
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nio 54. Mittwoch den 5. Mai 1824.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber:
Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Mythologiſche
vVil. Tithonos.
Cos, bevor du aufſteigſt,
Verkündend den kommenden Tag,
Hör' meine Stimme,
Meines Schmerzes Jammerlaut,
Hör' mich Verlaſſenen an.
Dein Geſchenk aus jenen Tagen
Der heiterlaͤchelnden Jugend,
Dein Geſchenk, Unſterblichkeit,
Vom Vater Zeus
Deinem heißliebenden Flehn geſtattet,
Das mich dein würdig machte,
Hoch mich entzuͤckte,
Stößt mich jetzt von dir,
Schafft mir unausſprechlichen Jammer;
Denn die Roſenblüthe
Meiner Jugend.
Deine liebe Goͤttin,
Iſt mit ihr verſchwunden.
Nimm dein Geſchenk,
Dieſe martervoll endloſe Dauer,
Nimm ſie zurück!
Dichtungen.
Alterſchwach, auf den Stab geſtuͤtzt,
Tiefgeſenkt den kahlen ſchweren Scheitel
Tret' ich her zu dir
Aus meiner Huͤtte
Und wende den trüb erloſchenen Blick
Zu dir empor,
Flehend um Gewaͤhrung; —
Hebe mühſam den zitternden Arm,
Flehe zu dir mit jenen Lippen,
Die du liebend oft geküͤßt haſt,
Die jetzt eingeſunken und gebleicht ſind;
Hebe die letzte Kraft der Stimme,
Aber du hörſt mich nicht,
Hörſt mich nicht rufen. —
Nimm dein Geſchenk,
Dieſe laͤſtige Unſterblichkeit,
Nimm ſie zuruͤck!
O wie öd,
Wie freudlos und leer
Schwinden die Tage mir!
O waͤren ſie dies nur. —
Doch wie voll Jammer,
Voll Schmerz, voll unendlichem Elend
Schwinden die Tage dem,
Dem die Flamme des Lebens
Stets ſterbend,
Stets ringend mit dem Tode,
V ......
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„ ——————
—
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nio 54. Mittwoch den 5. Mai 1824.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber:
Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Mythologiſche
vVil. Tithonos.
Cos, bevor du aufſteigſt,
Verkündend den kommenden Tag,
Hör' meine Stimme,
Meines Schmerzes Jammerlaut,
Hör' mich Verlaſſenen an.
Dein Geſchenk aus jenen Tagen
Der heiterlaͤchelnden Jugend,
Dein Geſchenk, Unſterblichkeit,
Vom Vater Zeus
Deinem heißliebenden Flehn geſtattet,
Das mich dein würdig machte,
Hoch mich entzuͤckte,
Stößt mich jetzt von dir,
Schafft mir unausſprechlichen Jammer;
Denn die Roſenblüthe
Meiner Jugend.
Deine liebe Goͤttin,
Iſt mit ihr verſchwunden.
Nimm dein Geſchenk,
Dieſe martervoll endloſe Dauer,
Nimm ſie zurück!
Dichtungen.
Alterſchwach, auf den Stab geſtuͤtzt,
Tiefgeſenkt den kahlen ſchweren Scheitel
Tret' ich her zu dir
Aus meiner Huͤtte
Und wende den trüb erloſchenen Blick
Zu dir empor,
Flehend um Gewaͤhrung; —
Hebe mühſam den zitternden Arm,
Flehe zu dir mit jenen Lippen,
Die du liebend oft geküͤßt haſt,
Die jetzt eingeſunken und gebleicht ſind;
Hebe die letzte Kraft der Stimme,
Aber du hörſt mich nicht,
Hörſt mich nicht rufen. —
Nimm dein Geſchenk,
Dieſe laͤſtige Unſterblichkeit,
Nimm ſie zuruͤck!
O wie öd,
Wie freudlos und leer
Schwinden die Tage mir!
O waͤren ſie dies nur. —
Doch wie voll Jammer,
Voll Schmerz, voll unendlichem Elend
Schwinden die Tage dem,
Dem die Flamme des Lebens
Stets ſterbend,
Stets ringend mit dem Tode,