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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 14-25 (Februar 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0066

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nio 15. Mittwoch den 4. Februar 182.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Desdemon a.

Einſam in dem Eichenhaine
An dem kuͤhlen Erlenbach,
Einſam in dem Mondenſcheine
Denk ich jenem Abend nach,

Desdemona! da ich dich,
Dich, in deinem Glanze ſah;
Beifallswogen rauſchend ſich
Zu dir drängten fern und nah.
O wie reizend! o wie ſchoͤn!
Bei der hellen Lichter Schein,
Warſt du holdes Weib zu ſehn,
Du, in deiner Jungfrau'n Reihn.

Wie der ſchwarzen Nelke Strauch
Ueber den Aurikeln ſteht,
Schwarzgelockt enthebſt du auch
Dich dem Jungfraun-Blumenbeet.

Wie die liebliche Gazelle
Freundlich in die Runde ſieht,
So dein Auge klar und helle
Alle Herzen zu dir zieht.
Ja! das ſanfte Friedenszeichen
Das dein weißes Häͤndchen giebt,
Muß den haͤrt'ſten Sinn erweichen
Der nur Krieg und Waffen liebt.

In des warmen Lenzes Tagen
Wenn das Eis des Winters wich,
— Uns die Freude anzuſagen —
Hebt die Lerche ſingend ſich.

Ein Gefühl der reinſten Luſt
Gießt ihr Lied in jedes Herz;
Sanft erweitert ſich die Bruſt,
Unvermerkt ſchmilzt ſelbſt der Schmerz.

Seht der Fruͤhlings-Saͤngerin
Holdes heit'res Ebenbild,
Horcht der ſüßen Zauberin
Flötentoͤnen, rein und mild.

Wilde Thiere zu bezaͤhmen
— Wohl vermoͤgt's dein ſanfter Blick —
Haß und Zwietracht zu beſchaͤmen,
Fuhrſt du Eintracht leicht zurück.

So nach langer dunkler Nacht
Glaͤnzt im Oſt der Wolken Saum
Wenn der junge Tag erwacht;
Farben ſpielt der Himmelsraum:

Und die Finſterniß entweicht,
Flügelt ihren ſcheuen Lauf,
Weil des Himmels Auge ſteigt
Glühend aus der Tiefe auf!

*
 
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