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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 40-51 (April 1824)
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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nis 44. Montag den 12. April 182.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

An Minna.

Wilder, wilder dröhnt's heran,
Hohle Stimmen hör' ich zuͤrnend rufen,
Nacht verbreitet ſich auf meine Bahn,
Und ein Schleier hüllt die heitern Stufen.

Aber du, mit deiner klaren Güte,
Steheſt immer wie ein Engelbild,
Rufſt dem Sturme, daß er minder wuͤthe,
Und ich fühle mich ſo weich, und mild.

Und die Schattenzuͤge geh'n vorüber,
Die ich feindlich meinem Leben ſah,
Wird dann oft auch ſeine Quelle truͤber,
Immer füuhl' ich doch die Troͤſt'rin nah.
X.

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Die beiden Ringe.

(ortſetzun g.)
Wohl hatte das Auge des liebenden Maͤdchens an dem
Gegenſtande ihrer innigſten Zuneigung hie und da Spuren
des Leichtſinns und hoher Reizbarkeit entdeckt; wohl hatte
ſie bemerkt, daß er gern und ſchnell ſchoͤnen Frauen hul-
digte, auch daß er dem Spiele nicht abhold war (welches
alles dem Vater entgangen zu ſeyn ſchien) doch da Rod-

rich jedesmal gleich, mit voller Liebe, zu Marien zuruͤck-
kehrte; und da er nach den erſten Wochen faſt alle glaͤn⸗
zende Parthien aufgab, um nur in ihrer Naͤhe zu ſeyn,
ſo hatte die Ueberzeugung, welche dem mildern Geſchlechte
ſo wohl thut: daß ihre Uebergewalt ihn losreiſſe von je-
dem fremdartigen, daß ihr Reitz ihn von allen kleinen
Verirrungen zurückhalte und daß ſie daher, in jeder Rück-
ſicht, als Siegerin daſtehe, Rodrigo'n wo moͤglich, ihrem
Herzen noch naͤher gebracht.

Wochen waren hingeſchlichen ſeit Rodrigos Entfernung
zum Corps unter dem Befehl R.. .. s, das an der Kuͤſte
der Nordſee ſtand und kein Poſttag war vergangen, wo
nicht die Briefe der Verlobten ſich gekreuzt hatten, als auf
einmal an einem Vormittage, da ſich Hr. Bernhard gerade
auf der Börſe befand, ein fremdes Frauenzimmer bei Ma-
rien gemeldet ward, und von ihr angenommen, eine ſchlanke,
jugendliche Geſtalt hereintrat, in ſchwarzer Kleidung, und
mit einem gleichfarbigen Schleier das Geſicht bedeckt! Die
Eingetretene kuͤndigte ſich als Eleonore de la Torre
aus einem altcaſtiliſchen adlichen Geſchlechte an; indeß ſie,
neben Marien auf den Sopha ſich ſetzend, den Schleier
zurück ſchlug, welcher die feinſten Züge, ein paar feurige
ſchwarze Augen (die Tochter des Suͤdens bezeichnend) und
ein eben ſo dunkles Haar verhuͤllt hatte.
Aengſtlich, als ob die Fremde Unheil bringen mußte, und
doch angezogen von den ruͤhrenden Zuͤgen der ſchoͤnen blaſ-
 
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