Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

DOI Kapitel:
No 105-117 (September 1824)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0444

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nee 106. Sonnabend, den 4. September 1824.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Huͤtten! —

Das eheſtiftende Bad.

Erzaͤhlung
von Friedrich Graf Kalckreuth.

Motto. Der Adel der Seele iſt
der aͤlteſte Adel!

Heeil allen, welche dieſen ſegenreichen Ort kennen, ich
ſage allen, denn wer dort die Gunſt des Schickſals gewon-
nen, wird gewiß mit eben ſo lebhaften Gefuͤhlen daran zu-
ruͤckdenken, als der Juͤngling, welcher, das Herz voll Ahn-
dungen dieſem Bade der Weihe nahete, in dem ſich die Traͤume
ſeiner Jugend zum ſichtbar dauernden Lebens-Teppich verwirk-
lichen ſollen. Ob ich ihn nenne? — nein! das hieße das Hei-

ligſte verrathen. Jede Staͤtte wird zum Tempel, wo reines

Gebet zum Himmel dringt. Wer den Ort gefunden, dem
ward er zum Tempel, — wer nicht — der hat die Hoffnung
noch vor ſich, und — indem ich an mich ſelbſt denke, erin-
nere ich mich, daß ich ihn ſelbſt noch finden ſoll.
Alſo was ich hier wiedergebe, iſt nur Empfangenes, aber
es lebte einmal, und das weiß ein jeder — waͤre es auch Traum
— was des Menſchen. Seele ſich geſtaltet, iſt es gleich nie-

mals geſchehen, haͤtte doch ſich ereignen koͤnnen, und darum
iſt es ihr oft ſelbſt nicht moͤglich, zu unterſcheiden, was ſie
ſich erſchuf, oder was ſie wirklich geſehen.
In einem ſchoͤnen Thale des deutſchen Vaterlandes, lebte
vor Jahren — ſo lange iſt es noch nicht her, daß ſich die Ge-
ſtalten ſchon haͤtten im dichteriſchen Himmel verklaͤren koͤnnen —
eine Wittfrau einſam auf dem Schloſſe eines Gatten, den Re
beweinte, weil er im Kampfe geblieben war; in welchem,
enthuͤllte mir die Sage nicht; aber ich denke, weil ſie weinte,
und viel weinte, wird es wohl kein freudiger und glorreicher
zum Wohle des Vaterlandes geweſen ſeyn.
Eine Tochter war ihr geblieben, der Gegenſtand ihrer
Doppel-Liebe, denn von dem Vater hatte die zarte Anna
ihre Neigung mit ſeinem Vermoͤgen geerbt. Alſo ausgeſtattel,
berichtet die Geſchichte weiter nicht, was die Natur fuͤr ſie
gethan, weil aber die Schoͤnheit gleich der Sonne iſt, und
niemals uͤberſehen wird, ſo glaube ich, daß ſie dadurch weni-
ger glaͤnzte, als durch reines Gefuͤhl, Guͤte des Herzens und
jenem Reize der Anmuth, den beide Eigenſchaften ſo unver-
kennbar uͤber die menſchlichen Zuͤge verbreiten; lauter Gaben,
mehr geeignet fuͤr das Lebensgluͤck, als eine blendende Schoͤn—
heit. — Sie hieß Anna, und rechtfertigte die Bedeutungen
dieſes Namens, welcher als ein Stempel der Sanftmuth und
 
Annotationen