Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nib 135. Mittwoch den 10. November 184.
Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —
Morgenſtrahlen
von Fritz Max Heßemer.
33. Der Zufriedene.
Froh bin ich meinen Lebenspfad gezogen,
Ein leicht begluͤcktes Herz war all mein Gut,
Manch Sternlein ſchien mir günſtig und gewogen,
Doch ſank es wieder — wach nur blieb mein Muth.
Fruh hatt' ich mich nach oben hingewendet,
Ich fühlte, daß ich hier nicht heimiſch war:
Zum Vater hab' ich manch Gebet geſendet,
Mein Herz war meiner Andacht Hochaltar.
Frei kann ich in der Welt Empoͤrung ſchauen,
Wo Schrecken, Graͤuel ſich und Verwüſtung paart,
Hab' ich mir doch ein kindliches Vertrauen
Und Maͤnnermuth im Buſen aufbewahrt.
346. Die Zauberin.
Du lächelnd ſtille Zauberin,
Wie haſt du feſt mein freies Herz umwunden,
Haſt die Gedanken, jeden Sinn
Mit leiſen Zauberfaͤden feſt gebunden,
Dein Zauber nur konnt' es vollbringen,
Mein Herz zu unterwerfen, zu bezwingen.
Du haſt mir einen Strahl geſandt
Aus deinem tiefen, doch ſo klaren Auge,
Haſt mich in deinen Kreis gebannt
Mit leiſem Zauberwort, mit lindem Hauche,
»Miit einem Kuß in leiſem Beben,
Haſt du dir angeeignet ganz mein Leben.
Dir iſt die Zauberkunſt bekannt,
Du weißt dem Herzen Regung einzufloßen,
Den Knoten ſchlingt die zarte Hand,
Du weißt es, leiſ' ihn wieder aufzuloͤſen,
Doch iſt die Wonne zu ermeſſen!
Den Spruch, der mich befreit, haſt du vergeſſen.
25. Das Würmchen.
Ein Wuͤrmchen baut ſein Winterhaus,
Es ſpannt die zarten Faͤden aus
Und webet ohne Raſt und Ruh
Und ſchließt die kleine Zelle zu,
Da ſchlaͤft es ſtill und wohl geborgen
Und wartet auf den Fruͤhlingsmorgen.
Der Winter toſt ſo kalt und rauh,
Das Wuͤrmchen ſchlaͤft im ſichern Bau;
Nib 135. Mittwoch den 10. November 184.
Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —
Morgenſtrahlen
von Fritz Max Heßemer.
33. Der Zufriedene.
Froh bin ich meinen Lebenspfad gezogen,
Ein leicht begluͤcktes Herz war all mein Gut,
Manch Sternlein ſchien mir günſtig und gewogen,
Doch ſank es wieder — wach nur blieb mein Muth.
Fruh hatt' ich mich nach oben hingewendet,
Ich fühlte, daß ich hier nicht heimiſch war:
Zum Vater hab' ich manch Gebet geſendet,
Mein Herz war meiner Andacht Hochaltar.
Frei kann ich in der Welt Empoͤrung ſchauen,
Wo Schrecken, Graͤuel ſich und Verwüſtung paart,
Hab' ich mir doch ein kindliches Vertrauen
Und Maͤnnermuth im Buſen aufbewahrt.
346. Die Zauberin.
Du lächelnd ſtille Zauberin,
Wie haſt du feſt mein freies Herz umwunden,
Haſt die Gedanken, jeden Sinn
Mit leiſen Zauberfaͤden feſt gebunden,
Dein Zauber nur konnt' es vollbringen,
Mein Herz zu unterwerfen, zu bezwingen.
Du haſt mir einen Strahl geſandt
Aus deinem tiefen, doch ſo klaren Auge,
Haſt mich in deinen Kreis gebannt
Mit leiſem Zauberwort, mit lindem Hauche,
»Miit einem Kuß in leiſem Beben,
Haſt du dir angeeignet ganz mein Leben.
Dir iſt die Zauberkunſt bekannt,
Du weißt dem Herzen Regung einzufloßen,
Den Knoten ſchlingt die zarte Hand,
Du weißt es, leiſ' ihn wieder aufzuloͤſen,
Doch iſt die Wonne zu ermeſſen!
Den Spruch, der mich befreit, haſt du vergeſſen.
25. Das Würmchen.
Ein Wuͤrmchen baut ſein Winterhaus,
Es ſpannt die zarten Faͤden aus
Und webet ohne Raſt und Ruh
Und ſchließt die kleine Zelle zu,
Da ſchlaͤft es ſtill und wohl geborgen
Und wartet auf den Fruͤhlingsmorgen.
Der Winter toſt ſo kalt und rauh,
Das Wuͤrmchen ſchlaͤft im ſichern Bau;