Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0624
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No 144-157 (Dezember 1824)
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- Einband
- [Vorbemerkung]
- Inhalt
-
No 1-13 (Januar 1824)
-
No 14-25 (Februar 1824)
-
No 26-39 (März 1824)
-
No 40-51 (April 1824)
-
No 52-65 (Mai 1824)
-
No 66-78 (Juni 1824)
-
No 79-91 (Juli 1824)
-
No 92-104 (August 1824)
-
No 105-117 (September 1824)
-
No 118-130 (Oktober 1824)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nid 151. Sonnabend den 18. Dezember 18.
Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —
Weſt un d O ſt.
Wenn du hinabſinkſt in die Wundergründe,
Hinab in deines Herzens tiefſte Raͤume,
Dann iſt's, als ob ein neues Leben keime,
Als ſaͤnke dir vom Aug' die finſtre Binde.
Rings niegeſehnes Walten, bunte Traͤume,
Die ſich zur ſüßen Wirklichkeit verſchlingen,
Ein neues Blühn in zauberhaftem Klingen,
Als ob dein Leben neuem Born entſchaͤume.
Stumm ſteht dein Geiſt, umgarnt von Zauberringen,
Liebtrunken in der eignen ſchoͤnen Sphaͤre,
Doch plötzlich klaͤrt ſich ihm der Traͤume Leere
Und zum Urew'gen ſtrebt er aufzuſchwingen.
Da glanzt um ihn des Heil'gen lichte Klaͤre,
Des Himmels Strahl trifft ſeine Augenlieder,
Und ſtumm anbetend, ſinkt der Schwache nieder,
Daß ihn der Quell ſein Licht erfaſſen lehre!
So waͤhnt ihr Saͤnger wohl die ſchoͤnſten Lieder,
Auf kuͤhler Flur des Occidentes bluͤhen,
Doch laßt den Blick zum Oriente ziehen
Und ſenkt beſchaͤmt dann euer Sanggefieder!
Manfred.
Salomon und Morolf (Markolph).
Eine ergotzliche Erzaͤhlung,
mitgetheilt von Albert Schulz.
LFortſetzung.]
Zweites Kapitel.
Wie Salomon und Morolf in das Zimmer gingen, und wie ſie
wieder herauskamen.
Salomon lachte über dieſe Rede, und ſagte wohlgefaͤllig
zu dem Manne: „ich ſehe, daß du Beredſamkeit und Witz
beſitzeſt, obwohl du ein Bauer und von ſchlechtem Anſehn
biſt, darum möchte ich wohl mit dir einen Wortſtreit ein-
gehn; und kannſt du mir auf jede Frage und jeden Spruch
Antwort und Gegenſpruch geben, ſo will ich dich reich machen,
und dir meine Gnade ſchenken.“ Morolf verneigte ſich,
und ſprach: „das iſt zwar ſehr gut von Euch gedacht, doch
mancher gelobt wohl ſchnell, was zu halten nicht in ſeiner
Gewalt ſteht. Aber laß uns wortkaͤmpfen. Wer ſchlecht
ſingt, ſinge an, alſo fange auch du an.“
Und damit begannen ſie nun einen langen und heftigen
Wortkampf, der gar witzig und ergoͤtzlich anzuhören war.
Weil aber manches, was darin vorkommen koͤnnte, nicht
vor Jedermann gehoͤren, und manches zarte Ohr beleidi-
gen moͤchte, ſo gingen ſie hinein in die inneren Gemaͤcher.
Nid 151. Sonnabend den 18. Dezember 18.
Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —
Weſt un d O ſt.
Wenn du hinabſinkſt in die Wundergründe,
Hinab in deines Herzens tiefſte Raͤume,
Dann iſt's, als ob ein neues Leben keime,
Als ſaͤnke dir vom Aug' die finſtre Binde.
Rings niegeſehnes Walten, bunte Traͤume,
Die ſich zur ſüßen Wirklichkeit verſchlingen,
Ein neues Blühn in zauberhaftem Klingen,
Als ob dein Leben neuem Born entſchaͤume.
Stumm ſteht dein Geiſt, umgarnt von Zauberringen,
Liebtrunken in der eignen ſchoͤnen Sphaͤre,
Doch plötzlich klaͤrt ſich ihm der Traͤume Leere
Und zum Urew'gen ſtrebt er aufzuſchwingen.
Da glanzt um ihn des Heil'gen lichte Klaͤre,
Des Himmels Strahl trifft ſeine Augenlieder,
Und ſtumm anbetend, ſinkt der Schwache nieder,
Daß ihn der Quell ſein Licht erfaſſen lehre!
So waͤhnt ihr Saͤnger wohl die ſchoͤnſten Lieder,
Auf kuͤhler Flur des Occidentes bluͤhen,
Doch laßt den Blick zum Oriente ziehen
Und ſenkt beſchaͤmt dann euer Sanggefieder!
Manfred.
Salomon und Morolf (Markolph).
Eine ergotzliche Erzaͤhlung,
mitgetheilt von Albert Schulz.
LFortſetzung.]
Zweites Kapitel.
Wie Salomon und Morolf in das Zimmer gingen, und wie ſie
wieder herauskamen.
Salomon lachte über dieſe Rede, und ſagte wohlgefaͤllig
zu dem Manne: „ich ſehe, daß du Beredſamkeit und Witz
beſitzeſt, obwohl du ein Bauer und von ſchlechtem Anſehn
biſt, darum möchte ich wohl mit dir einen Wortſtreit ein-
gehn; und kannſt du mir auf jede Frage und jeden Spruch
Antwort und Gegenſpruch geben, ſo will ich dich reich machen,
und dir meine Gnade ſchenken.“ Morolf verneigte ſich,
und ſprach: „das iſt zwar ſehr gut von Euch gedacht, doch
mancher gelobt wohl ſchnell, was zu halten nicht in ſeiner
Gewalt ſteht. Aber laß uns wortkaͤmpfen. Wer ſchlecht
ſingt, ſinge an, alſo fange auch du an.“
Und damit begannen ſie nun einen langen und heftigen
Wortkampf, der gar witzig und ergoͤtzlich anzuhören war.
Weil aber manches, was darin vorkommen koͤnnte, nicht
vor Jedermann gehoͤren, und manches zarte Ohr beleidi-
gen moͤchte, ſo gingen ſie hinein in die inneren Gemaͤcher.