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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 144-157 (Dezember 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0604

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Ni 146. Montag den 6. Dezember 1824.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Ade!! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —

Der unbekannte Freund.

Ein Phantaſieſtück
don Johann Gabriel Seidl.

(Fortſetzun g.)
9.

„Ihr ſeyd doch ein wackrer Saͤngersmann, ſo beſingt mir
doch einmal das häusliche Gluͤck recht treu und wahr,“
ſprach einmal Erline zu dem Saͤnger, und die Eitelkeit,
ihr' eignes Glück geſchildert zu höͤren, ließ ſie von dieſer
Bitte nicht abſtehen. Denn über Roberts Grabe blühte,
nach kurzem aber ſchwerem Regenſchauer, Alles friſch und
herrlich auf, als waͤre das eine Folge von des ſcheidenden
Greiſes letztem Liebesblicke geweſen. ö
Der Saͤnger, der ſich nicht genug zu weiden vermochte
an dem Glücke ſeiner Freunde, griff, von Erlinens Feuer-
blicken überredet, begeiſtert in die Saiten ſeiner Laute,
die er aber alsbald wieder ſinken ließ und alſo ſprach:
„Das häusliche Glück ſoll ich dir ſchildern, liebwerthe Frau?
Nicht ſo, dein eigen Hausweſen will ich dir in ſaubern
Zeilen gebracht, vor Ohren bringen, auf daß du erkennen
lerneſt, wie gluͤcklich du biſt!“
„Ein kleines Häuslein ſchmuck und rein
Gelehnt an mosſig Felsgeſtein,

Umſchließt dein Glück und deine Luſt
In ſeiner blank gewölbten Bruſt.
Ne kuhle Bank ſteht vor der Thür',
Ein grüner Garten ruht dafür;
Und um die Fenſterrahmen zieht
Epheugerank ſich her und bluͤht.
Doch ſieh! wie ſteht's im Hauſe gar,
Da iſt's ſo lieb und wunderbar,
Da lacht aus jeder Ecke Glück
Und haͤuslich Wohlſeyn froh zuruͤck.
Der Mann, ein ſtarker Heldenleib —
Die Frau — ein mildjungfraͤulich Weib —
Und unterſcheid't ſich dennoch keins,
Und alle Beide ſind nur Eins,
Da iſt kein Vorhang uͤber's Herz,
Nicht in der Freud' und nicht im Schmerz;
Da ſehnt kein Mund ſich nach 'nem Kuß',
Ohn' daß er ihn ſchon haben muß; —

Da ſucht nach keinem Druck die Hand,
Wieil ſie ihn — eh' ſie ſucht — ſchon fand!“
Kein „Ihr“ — kein „Du“ verraͤth da ſich
Es heißt nur „Ich“ und ewig Ich?“ C—

Da iſt kein Plaͤtzchen im Gebaͤud',
So nicht ein Plaͤtzchen ſtiller Freud'!

Der Morgen, wenn er hell und milld
Durch's buntgefaͤrbte Fenſter ſchielt,
 
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