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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 1-13 (Januar 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0021

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Nio 4. Sonnabend den 10. Januar 18N.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber:

Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

NRN oman ze.

Begegnet einſt ein Ritter
Wohl bei des Abends Gluͤh'n

Dem Schwarm der frohen Schnitter,

Die von den Fluren zieh'n.

Manch holdes Schnittermaͤdchen
Im muntern Schwarme hüpft;
Ein Band mit grünen Faͤdchen
Die blonden Haare knüpft.
Der Ritter denkt der Seinen;
Er waͤhnt ſie ungetreu:
Nicht Antwort will erſcheinen
Schon ſeit dem zwoͤlften Mai.

Er ſpricht bei ſich: „Das Trauern,

Was hilft es laͤnger doch?
Soll ich mich ſelbſt bedauern?
Viel Schönes gibt es noch!“ —

Da fliegt ſein Blick nach allen;
Er ſieht manch ſchönes Kind:
Doch die vorüberwaͤllen
Nicht, wie Amira, ſind.
Dann läßt ſich auf den Auen
Im laͤndlichen Gewand
Ein Maͤdchen einſam ſchauen:
Faſt dünkt ſie ihm bekannt.

Indeß die Hand er milde
Ihr auf die Schulter legt,
Fragt er: „Hat dies Gefilde
So Liebliches gehegt?“ —
Sie ſeufzet tief — erhebet
Den blauen, ſanften Blick:
Amira iſt's — da bebet
Reinald erſtaunt zurück.

„Den Groll kann nimmer tragen
(Spricht ſie) ein Maͤdchenherz;
Dich mußt' ich ſeh'n, Dir ſagen:
Mir bleibt nicht Zorn, nur Schmerz.
Du haſt mich tief gekraͤnket
Durch faͤlſchlichen Verdacht,
Und ſchon vielleicht, entlenket,
Dein Herz fuͤr and're lacht!“ —

„Dir (ruft er) treu im Leben
Und Tode! — Nie entweicht
Dein Bild! — Kannſt Du vergeben?“ —
Sie lispelt: „Ach! wie leicht!“ —
Er troͤſtet die Betruͤbte,
Er hebt ſie auf ſein Roß,
Und führt die Heißgeliebte
Nach ſeiner Heimat Schloß —
K. Geib.
 
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