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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 118-130 (Oktober 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0504

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nio 120. Mittwoch den 6. Oktober 182.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —

Rechte Lie be.

Erzählung von Ludwig Halirſch.

(Fortſetzung.)
III.

Dornfeld war der einzige Sohn eines reichen und begüͤ—
terten Mannes, der in der Reſidenz eine bedeutende Stelle
bekleidete. Gewohnt an ein freies, unabhaͤngiges Leben,
das durch den frühen Tod einer wenig geliebten Gattin
noch freier ward, fiel es ihm gar nicht ein, ſeinen Sohn
anders als ſich ſelbſt zu halten. Zum groͤßten Glücke kam
dieſer in die Haͤnde eines verſtaͤndigen Erziehers, der bei
einem vortrefflichen Gemüthe Fantaſie genug beſaß, um
dem Jünglinge ohne Pedanterie ſeine Grundfaͤtze von Maͤ⸗
ßigkeit und dem Gebrauche der Freiheit einzupflanzen.
Auf dieſe Art wurde dem jungen Dornfeld eine Bildung
zu Theil, die nicht blos oberflaͤchlich war, und ihm trotz
ſeines ſanguiniſchen Temperaments Haltung und Sicherheit
im Leben gab. Nach dem Tode ſeines Vaters fand er ſich
im Beſitze eines bedeutenden Vermoͤgens, das er zweckmaͤ⸗
ßig zu gebrauchen verſtand, und zur Förderung mancher,
frühzeitig liebgewonnenen Plaͤne benützte. Hierzu gehoͤrte
auch ein bequemer und vergnüglicher Aufenthalt auf dem
Lande, welchen er mit dem Stadtleben ſo zu verbinden
gedachte, daß er in keiner Hinſicht dabei verlieren konnte.
Leitenſee dünkte ihm hierzu der ſchicklichſte Platz. Das

freundliche Doͤrfchen war nicht zu weit von der Reſidenz
entfernt, und gewann doch durch ſeine einſame Lage mit-
ten im Gebirge einen Anſtrich von Romantik. Dornfeld
benützte die erſte Gelegenheit, mit ſeinem ziemlich lockern
Beſitzer zu ſprechen, und fand dieſen geneigt zum Verkauf.
Der Handel ward demnach bald abgeſchloſſen und der neue
Gutsherr konnte nicht ſchnell genug dem lang erſehnten
Genuſſe entgegen eilen.
Auf dem Wege fiel ihm ein, ſeine Unterthanen fruͤher
kennen zu lernen, ohne von ihnen gekannt zu ſeyn. Er
ließ alſo eine halbe Stunde ungefaͤhr von Leitenſee halten
und machte ſich ganz allein hinweg, gab aber Befehl, Leute
und Wagen ſollten im naͤchſten Orte auf den andern Mor-
gen bereit gehalten werden.
Mit heimlicher Freude hörte Dornfeld beim Tiſche des
Amtmannes, daß man Anſtalten zu ſeinem Empfange ge-
macht habe, und ergötzte ſich ſchon im Voraus an Lieschens
Erſtaunen, wenn dieſe in ihrem Begleiter den langerwar-
teten Gebieter erkennen würde. Doppelt war er nun mit
ſeinem Kaufe zufrieden, indem er den Gedanken nicht ge-
nug preiſen konnte, welcher ihn einem Familienkreiſe ſo
nahe gebraͤcht, in deſſen Mitte er alle Bedingungen eines
heitern Genuſſes der Gegenwart vereiniget fand. Daß das
Bild ſeiner anmuthigen Führerin waͤhrend dieſer Gedan-
ken ſehr in den Vordergrund trat, verſteht ſich von ſelbſt.
Des andern Morgens ſah er Lieschen ſchon frühzeitig
 
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