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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 118-130 (Oktober 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0544

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nis 130. Sonnabend den 30. Oktober 1824.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Ade!! — Allgemeinheit
dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Hütten! —

Blanka und Iſabelle.
Hiſtoriſche Novellenach Legouv é.

Von Franzs Frhrn. v. Keller.

l(Sortfetzung.]
Als ich ihm aber ſtets noch mehrere Zweifel vorbrachte,
erbot er ſich, ſeine Vermählung mit mir noch vor unſerer
Abreiſe in der naͤchſten Kirche, und in Frau Moldini's
Gegenwart vollziehen zu wollen. Hiex mußte ich alle
meine Vernunft aufbieten um in ſolchen Antrag nicht
einzuwilligen, ich fühlte Zwieſpalt in meinem Herzen, aber
ich gehorchte der Ehre. Nachdem ich dieſem großmüthigen
Liebhaber die Verſicherung gab, wie ſehr ich durch ſeine
Abſichten gerührt wäre, ſtellte ich ihm vor, wie es ſich für
eine erhabene Seele wenig ſchicke, in eine Familie einzu-
treten, ohne von deren Beiſtimmung vorher verſichert zu
ſeyn. „Haͤ! rief er aus, ich verſtehe, ihr zweifelt noch
immer an meines Vaters Einwilligung? wohlan, ich eile
zu ihm, ſolche zu verlangen, und ſie euch darzubringen.
Werdet ihr mir alsdann folgen?“ — Ich erwiederte, daß,
wenn er mir dieſe Gewißheit braͤchte, ich ihm auf der
Stelle mit Wonne folgen würde. Zufrieden mit dieſer
Verſicherung beſchleunigte er ſeine Abreiſe, doch, in dem
Augenblick ſeines Weggehens haͤndigte er mir die Verſe
ö ein, die unſere wechſelſeitigen Geſtaͤndniſſe hervorbrachten

und fuͤhrte mich zum Grabe meiner Mutter. Hier rief er
mit zarter und feierlicher Stimme ihren Schatten zum
Zeugen ſeiner für mich hegenden unauslöſchlichen Liebe auf,
und ſchwur ihr bald zuruͤck zu kommen, und ſie durch un-
ſere Vereheligung zu tröſten, indem er zugleich den ihrem
Gatten entriſſenen Zepter in meine Haͤnde zurückgeben

wuͤrde.“

pfieng;

„Ich fuͤr meinen Theil hatte weder dieſe Schwuͤre noch
dieſer Feierlichkeit noͤchig, um an ſeine Liebe zu glauben
und ſeinen Verheißungen zu trauen, denn mir ſchien es
unmoͤglich, daß er mich je taͤuſchen könnte. Dieſe Ueber-
zeugung hielt in den erſten Tagen ſeiner Abweſenheit
meinen Muth aufrecht, ja ſie lieh ihm ſogar einigen Reitz,
denn ich beſuchte oͤfters mit ſüßem Vergnügen das von
ihm bewohnt geweſene Zimmer, ſo wie ſeine Lieblings-
ſpaziergänge, und den Wald wo ich ſeine Geſtaͤndniſſe em-
verſicherte alle dieſe trauten Zeugen ſeiner
Zaͤrtlichkeit von ſeiner baldigen Rückkunft, aber ach! —
ich betrog ſie, und betrog mich ſelbſt. Seit jenem ver-
haͤngnißvollen Tag, wo er mich verließ, erhielt ich nicht
eine einzige Nachricht von ihm. Was ſoll ich von einem
ſolchen Schweigen denken? Es giebt keine der fürchterli-
chen Ideen die ſich nicht meinem Geiſte darbietet! Bald
denke ich ihn mir auf den Meeren, von Stuͤrmen verfolgt,
mit den Fluthen und Gewittern ringend, und ſich endlich
in die Tiefen ſtürzend, bald wieder ſtelle ich ihn mir vor,
 
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