Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nio 23. Montag den 23. Februar 182.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
An Lilli.
1.
Waͤr' ich ein Blümlein, ich blickte Dich an mit lieblichen
Augen,
Waͤr' ich ein Sternlein, wie hell blickte mein Aeuglein
auf Dich!
Nun, weil Dein Geliebter ich bin, mit tauſend Paar
Augen
Schau' ich Dich an, mein Blick ſtrahlt wie ein Himmel
um Dich!
2.
War' ich ein Luͤftchen, ich flöge dir zu und ſpielt' um den
Buſen,
Hieng als Kind an dir, wollte vom Munde den Kußs
Miſchte den Athem gelind mit deinem ambroſiſchen Hauche!
Spielt' um die Wange von dir, drückt' auf die Wange
den Kuß. ö
Hießeſt du mich dann gehn, ich entſchlüpfete, Liebchen,
behende
Zu den Blumen und da lauſcht' ich, bis Liebchen du
kämſt.
Kommen müßteſt du mir, und ſiehe du kaͤmſt auch, ge-
ſchwinde
Hauchte das Lüftchen dich an, floͤge das Lüftchen dir zu!
3.
Zart iſt die Liebe, doch iſt ſie göttlich geboren, allmaͤchtig,
Sanft iſt ihr Hauch, doch ſtark wirkt ihr im Buſen der
Geiſt! ö
Wenn wie der Fruhling ſie mild aufathmet, es ſchauet die
Sonne
Hoch vom Himmel und tief ruhet ihr Erebos Nacht!
Nehrlich.
—2———— —9—99• 729J—2 — f—. —
Wer Gott vertraut, feſt auf ihn baut, wird nim-
mermehr zu Schanden.
Hiſtoriſche Novelle von S. S. R. Schlicht.
I.
Im dreißigjaͤhrigen Kriege lebte nicht weit von Magde-
burg — das in unſerer alten Sprache, ſo viel als Jung-
frauburg bedeutete — auf einem Adelshof an den ſich dicht
ein bedeutendes Dorf anlehnte: Walter Traumann. — Es
war zur Zeit, als Magdeburg von den feindlichen Heer-
führern Pappenheim und Tilly eingeſchloſſen, jener harten
Belagerung und einem noch haͤrtern Schickſal ſorglos ent⸗—
gegen ſah, von deſſen Graͤßlichkeiten unſere teutſchen An-
naliſten noch lange zu erzaͤhlen haben werden; als Walter
Traumann, ganz ſeines Wahlſpruchs uneingedenk: „Wer
Gott vertraut, feſt auf ihn baut, wird nimmermehr zu
Schanden“; ſeine Familie — Frau und Kinder — trieb
und draͤngte ihn und ſeinen bisher ſo ruhigen und frjied-
Nio 23. Montag den 23. Februar 182.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
An Lilli.
1.
Waͤr' ich ein Blümlein, ich blickte Dich an mit lieblichen
Augen,
Waͤr' ich ein Sternlein, wie hell blickte mein Aeuglein
auf Dich!
Nun, weil Dein Geliebter ich bin, mit tauſend Paar
Augen
Schau' ich Dich an, mein Blick ſtrahlt wie ein Himmel
um Dich!
2.
War' ich ein Luͤftchen, ich flöge dir zu und ſpielt' um den
Buſen,
Hieng als Kind an dir, wollte vom Munde den Kußs
Miſchte den Athem gelind mit deinem ambroſiſchen Hauche!
Spielt' um die Wange von dir, drückt' auf die Wange
den Kuß. ö
Hießeſt du mich dann gehn, ich entſchlüpfete, Liebchen,
behende
Zu den Blumen und da lauſcht' ich, bis Liebchen du
kämſt.
Kommen müßteſt du mir, und ſiehe du kaͤmſt auch, ge-
ſchwinde
Hauchte das Lüftchen dich an, floͤge das Lüftchen dir zu!
3.
Zart iſt die Liebe, doch iſt ſie göttlich geboren, allmaͤchtig,
Sanft iſt ihr Hauch, doch ſtark wirkt ihr im Buſen der
Geiſt! ö
Wenn wie der Fruhling ſie mild aufathmet, es ſchauet die
Sonne
Hoch vom Himmel und tief ruhet ihr Erebos Nacht!
Nehrlich.
—2———— —9—99• 729J—2 — f—. —
Wer Gott vertraut, feſt auf ihn baut, wird nim-
mermehr zu Schanden.
Hiſtoriſche Novelle von S. S. R. Schlicht.
I.
Im dreißigjaͤhrigen Kriege lebte nicht weit von Magde-
burg — das in unſerer alten Sprache, ſo viel als Jung-
frauburg bedeutete — auf einem Adelshof an den ſich dicht
ein bedeutendes Dorf anlehnte: Walter Traumann. — Es
war zur Zeit, als Magdeburg von den feindlichen Heer-
führern Pappenheim und Tilly eingeſchloſſen, jener harten
Belagerung und einem noch haͤrtern Schickſal ſorglos ent⸗—
gegen ſah, von deſſen Graͤßlichkeiten unſere teutſchen An-
naliſten noch lange zu erzaͤhlen haben werden; als Walter
Traumann, ganz ſeines Wahlſpruchs uneingedenk: „Wer
Gott vertraut, feſt auf ihn baut, wird nimmermehr zu
Schanden“; ſeine Familie — Frau und Kinder — trieb
und draͤngte ihn und ſeinen bisher ſo ruhigen und frjied-