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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 66-78 (Juni 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0282

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nie 66. Mittwoch den 2. Juni 182.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Er fach.

Geheiltes Heimweh.

Ein Blümchen blüht im Norden
An dunklen Stromes Rand.
„Was iſt aus Blümchen worden
Zm kalten Norderland?“
Zum Süden möcht' es ziehen,
Wo Heimathblumen bluͤhn.
Doch ſchönre hier erblühen,
Die nicht ſo ſchnell vergluͤhn.

Hier ſaͤuſeln milde Lüufte
Verraͤtheriſch, wie dort,
Nicht über Feuergrüfte.
Hier lebt die Treue fort.

Und wenn die Stuͤrme brauſen,
Und kommt des Winters Froſt;
Laß Sturm und Regen ſauſen!
Lieb Blümchen ſey getroſt.
Manch Mägdlein koͤmmt gegangen,
Wohl gut und fromm und ſchoͤn,
Und ſieht dein kindlich Bangen:
Sollſt nicht im Sturm vergehn!“
Birgt dich mit zartem Sorgen
In ihrem Kaͤmmerlein.
Lieb Bluͤmchen biſt geborgen;
Laß Heimath Heimath ſeyn!

A. Schuti.

Die beiden Ringe.

(Fortſetzung.)
Beide Freundinnen — es iſt von Marie und Bertha die
Rede — hatten eines Abends, es war im Julius vergan-
genen Jahres, ſich eben in der Laube von duftenden Jas-
min und Roſen, dicht am See niedergelaſſen, wie die
ſcheidende Sonne mit ihren letzten Strahlen den klaren
Waſſerſpiegel vergoldete. — Da trat der bejahrte Gerhard
der ſchon lange im Hauſe als Bedienter geweſen, und von
ſeiner jetzigen Herrſchaft als ein alter bewaͤhrter Freund
betrachtet und behandelt wurde, zu den Frauen in die
Laube, einen eben angekommenen Fremden ankündigend,
der ſich Reinhold nenne. „Schon wieder ein Stoͤrnfried“
rief unwillig Bertha aus, das Buch zur Seite legend, aus
dem ſie eben noch der Mutter eine ſchoͤne Stelle vorzule-
ſen dachte, „kommt doch jetzt faſt alle Tage ſo ein unwill-
kommner Beſuch.“ „Es iſt ja Ferdinand“ fiel die Mutter
ein, „eben der Ferdinand, von dem ich dir oft ſo viel Gu-
tes ſagte.“ — „Ach der ſey willbommen!“ rief eben Bertha,
als der Angemeldete ſchon ſich nahte, und bald darauf in
die Laube trat. — Marie kam ihm mit verklaͤrtem Auge,
(die ploͤtzlich aufgeregte Erinnerung an eine ſchoͤne Vergan-
genheit ſpiegelte ſich in ihm) jedoch mit beklommenem Herzen
entgegen. — Denn, mußte in dieſem Augenblicke doch aus-
geſprochen werden, was ſo lange, als ſtilles Geheimniß vor

ihm, geruht hatte in der zartempfindenden weiblichen Bruſt!

— Indem ſie dem Eintretenden wohlwollend, (wie man
 
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