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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 14-25 (Februar 1824)
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2. 2.

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nio 17. Montag den 9. Februar 1824.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Blutiger Lorbeer, welke Myrthe.

(Fortſetzun g.);
Mit Tages Grauen ſtand ich auf, und ſobald es nur ein
wenig hell war, ging ich in meiner Herrin Gemach, um
nach ihrem Anzuge zu ſehen. Ich war erſtaunt, ſie ſchon
auſſer Bett zu finden, am Fenſter ſtehend, das nach Oſten
ſah. Des Frühgewölks Roͤthe ſchimmerte auf ihre Wan-
gen, und wie ſie mir entgegen laͤchelte, kam ſie mir als
das Bild des Sonnenaufgangs vor. — „Wir werden einen
angenehmen Gang dieſen Morgen haben, Brigida“, ſagte
ſie, „der Tag wird ſchoͤn, und ich denke mir, — der Him-
mel laͤchelt auf Spanien.“ — „MMoͤchte er meine Gebieterin
ſegnen, und unſer armes Land!“ — Sie ſeufzte, die Haͤnde
gefaltet emporhebend. — In einer Stunde war Alles mun-
ter im Hauſe. Die Chokolade ward ſorgfaͤltig gemacht,
und ich überreichte dem Obriſten ſeine Taſſe, worin der
Loͤffel frei ſtehen konnte. — Donna Carolina trat herein,
und rief: „Ein herrlicher Tag, wir finden einen koͤſtlichen
Weg nach den Bergen. Ich habe die Maulthiere voraus
geſendet.“ — „Don Antonio“, ſagte meine Gebieterin, „ſeyd
Ihr bereit?“ „Ich gehe nicht mit“, war ſeine Antwort,
„Vetter Pedro geleitet Euch.“ —
Als wir eben uͤber den Marktplatz weg waren, begeg—⸗
nete uns der Obriſt, oder vielmehr er holte uns ein. —
„Wie glücklich ich doch bin!“ — rief er aus; und meine
Herrin ſagte, ſie freue ſich, daß er mitgehe, es werde ge-
wiß ein angenehmer Gang werden. — „Sollten denn wohl“,

fragte Donna Carolina, „ihre Landsleute, Herr Obriſt,
Vittoria ſchon verlaſſen haben, wenn ich hin komme?“ —
„Wahrlich, Madame“, antwortete er, „das iſt mir ein Ge-
heimniß; ich weiß nie mehr, als meine Ordres erhalten.“
„Und was enthalten dieſe?“ — „Je nun“, laͤchelte er, „ich
füͤrchte, die muͤſſen ein Geheimniß bleiben.“ — Ihr For-
ſchen kehrte oͤfter zuruͤck, wurde aber immer ſehr geſchickt
abgewieſen. Plöͤtzlich fragte ſie: „Iſt es wohl an dem, Herr
Obriſt, daß ein franzoͤſiſcher Grenadier zu Eſtella einem
Kinde den Kopf an einem Thürpfoſten zerſchmettert hat?“
— „Es thut mir leid“, antwortete er, „dies nicht vernei-
nen zu können.“ — „Und“, rief meine Gebieterin mit flam-
mendem Ingrim, — lebt denn der Schurke noch?“ —
„Ich glaube wohl“, antwortete er, — „die Stadt hat ſich
durch ihr Betragen des Militaͤriſchen Schutzes unwuͤrdig ge-
macht.“ — „O Gott“, rief meine Herrin, „für welche Stunde
haͤltſt du deinen raͤchenden Arm zuruͤck!“ — „Mag er uns
nur in dieſer Stunde noch gnaͤdig ſeyn!“ erwiederte der
Obriſt; und Donna Carolina frohlockte: „Ja, ſo moͤcht
Ihr wohl noch einmal flehen!“ — Ich, in meinem Haſſe
gefaßter, betete ein Ave Maria. Don Pedro nahm jetzt
Abſchied, ſeine Reiſe fortzuſetzen. Der Obriſt geleitete ihn
eine Strecke in vertraulichem Geſpraͤche ihn unterm Arme
fuͤhrend. Indeß ſchlug Donna Carolina den Weg zum
Gipfel des zu unſrer Linken gelegnen Berges ein, und ließ
die Diener und Maͤulthiere vorausziehn. Die Ausſicht von
oben belohnte unſre Anſtrengung. Zu unſern Fuͤßen dehnte
ſich das Thal mit ſeinem Reichthume aus; die Huͤgel, die
 
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