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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 118-130 (Oktober 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0516

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Rheiniſche Morgenzeitung für gebildete Leſer.

Nro 123.

Mittwoch den 13. Oktober 183.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit

dem echten Chriſtenthum! —

Friede und Segen den Hütten! —

Rechte Liebe.

Erzählung von Ludwig Halirſch.

(Fortſetzung.)
VI.

Dornfeld liebte Lieschen wirklich, und war dieſe Liebe auch
zu ſinnlich, um laͤngere Dauer zu verſprechen, ſo wollt' er
ſich's doch keineswegs geſtehen, im Gegentheile war er feſt
überzeugt, der augenblickliche Eindruck entſcheide hier über
das ganze Leben; wie wirkſam aber gedachter Eindruck
auf ſein Herz, oder, wenn wir uns der Nebenumſtaͤnde
deutlicher erinnern, auf ſein Blut geweſen, weiß der Le-
ſer hoffentlich noch aus dem Zuſammentreffen mit Lieschen.
Uebrigens wußt' er zwar recht wohl, daß Fritz der Be-
gunſtigte ſey, aber er hoffte, die neue Liebe werde die
aͤltere bald verdrangen, und dann war er bei ſeinen tüch-
tigen Grundſaͤtzen feſt entſchloſen, das Maͤdchen zu ehe-
lichen. Nur Ein's aͤrgerte ihn. Aus Lieschen war nämlich
keine beſtimmte Antwort zu bringen; ſo oft er auch den
Augenblick der Entſcheidung herbeizufüͤhren ſuchte, ſo oft
entſchlüpfte ſie ihm wieder.
Er wollte und mußte Gewißheit haben. An einem trüͤ—
ben Herbſtabend ging er noch ſpaͤt mit ihr im Garten
auf und ab. Das traurige Dahinwelken alles Lebens
ſtimmt ſelbſt die heiterſten Gemüther ernſt, und dies war
auch bei Lieschen der Fall. Die Windsbraut fuhr

kühl und ſchaurig durch die faſt entlaubten Baͤume, und
wehte die abgefallenen Blätter hier und da auf, von den
Bergen zogen dunkle unfoͤrmliche Nebelwolken im raſchen
Fluge herüber; das Maäͤdchen huſchte zuſammen und
ſchmiegte ſich inniger und feſter an ihren Begleiter. Die-
ſer freute ſich heimlich der günſtigen Gelegenheit, von der
er hoffte, daß ſie ihn endlich zum Ziele führen werde. Er
lenkte ihre Schritte nach einem Pavillon, deſſen bequeme
und zierliche Einrichtung ihn ſelbſt in der ſchon ungünſti-
gen Jahreszeit zum angenehmen Aufenthaͤlte machte. Hier
zog er das beinahe eingeſchüchterte, ungewöhnlich ernſt ge-
ſtimmte Kind aͤuf die weiche Ottomane dicht an ſich. Drau-
ßen hatte es einſtweilen zu regnen angefangen, eintoͤnig
plätſcherten und rauſchten die ſchweren Tropfen, der Sturm
ſchlug zuweilen die dürren Aeſte an die Fenſter, — es war
ſo heimlich und gaſtlich zwiſchen den ſtillen vier Waͤnden,
durch die das Ungewitter fruchtlos einzudringen ſuchte;
immer ſtaͤrker daͤmmerte es; Dornfeld hatte ſeinen Arm
um das liele Maͤdchen geſchlungen und lispelte ſüße Worte,
die dringender und dringender wurden, je nachgiebiger
ſie ſich bezeigte; mit glühenden Farben ſchilderte er ihr
ſeine Leidenſchaft: er bat ſie, ihm endlich Gewißheit zu
geben und nicht laͤnger mit ſeinen heiligſten Gefuͤhlen zu
ſcherzen. — Lieschen ſchwieg; ſie dachte an Fritz, den ſie
unlaͤngſt wieder geſprochen und der mit aͤhnlichen Redens-
arten in ihr Herz gedrungen war; ſie hatte geſehen, wie
 
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