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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

DOI Kapitel:
No 92-104 (August 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0436

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orgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

404. Montag, den 30. Auguſt 1824.

Gehorſam den Regenten! — Achtung dem wahren Adel! — Allgemeinheit

dem echten Chriſtenthum! — Friede und Segen den Huͤtten! —



Der Liebesroman.

Herr von Welden kigt in die Welt um ſich von allen Sei-
ten laͤcherlich zu machen. Er liebte weder das Spiel, noch
den Wein, weder Pferde, noch die Jagd, ja nicht einmal
Opernſaͤngerinnen und Ballettaͤnzerinnen, und war doch in
Wien erzogen! — Aber die Natur aͤndert ſich nicht ſo leicht;
ſein natuͤrlicher Hang zum romantiſchen war durch Romanen-
lektuͤre vollkommen ausgebildet worden; aus ihnen ſchoͤpfte er
ſeine Ideen und Gefuͤhle, die der Moral des Tages ſchnur-
ſtracks entgegen liefen, und er ſuchte dies auch ſo wenig zu
verbergen, daß man nicht umhin konnte, ihn fuͤthein freies
Original zu erklaͤren. Es iſt ſchade, ſagten ſeine Freunde, der
junge Mann hat Verſtand, Figur; — aber es wird nie etwas
aus ihm werden, er iſt zu nichts zu bewegen, man kann nichts
mit ihm anfangen. — Wirklich hatte Welden auch nicht die
geringſte Luſt, die Vergnuͤgungen ſeiner Freunde zu theilen;
ihn beſchaͤftigte nur der eine Gedanke: gluͤcklich zu werden,
was uͤbrigens ganz vernuͤnftig war. um aber zu dieſem Ziele
zu gelangen, gab es ſeiner Meinung nach, nur ein Mittel, naͤm⸗
lich: lieben und geliebt zu werden; aber letzteres, wie
man es in einem Romane iſt, ſo recht unbaͤndig. Eine Hei-

V.

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rath aus Konvenienz, Schicklichkeit, oder Ehrgeitz, war ihm ein
unertraͤglicher Gedanke, und er ging bei dieſem Punkte in ſei-
ner Uebertreibung eben ſo weit, wie der Emil des Buͤrgers
von Genf. — Der alte Onkel des jungen Welden, ein gerader
einfacher Mann, der das Leben ſo ziemlich von der rechten
Seite anſah, ſeufzte uͤber die Sonderbarkeit ſeines Neffen und
Erben, den er durchaus mit Klementinen, einer jungen, ſehr
reichen und liebenswuͤrdigen Wittwe von ausgezeichneter Fami-
lie, zu verheirathen wuͤnſchte, in welcher Verbindung allein, er
des Neffen Gluͤck ſah. Doch ckles wollte nichts helfen, Wel-
den's Abneigung gegen'eine ſolche Heirath, trotzte allen ver-
nuͤnftigen Vorſtellungen. Er bat den Onkel, nicht laͤnger in
ihn zu dringen, und ihm die Sorge fuͤr ſeine Verſorgung ſelbſt
zu uͤberlaſſen, und um die Sache auf immer zu beendigen, er-
klaͤrte er, er moͤge die ſchoͤne Wittwe durchaus nicht, und ſie
wuͤrde gerade die letzte Frau ſeyn, der er ſeine Hand zu rei-
chen gedaͤchte. — Welden hatte die fragliche Wittwe noch gar
nicht geſehen, der Onkel rieth ihm, dies wenigſtens erſt zu
thun, ehe er ſich ſo beſtimmt ausſpraͤche, indem er ſagte: wenn
du wuͤßteſt wie ſchoͤn, wie liebenswuͤrdig ſie iſt, du wuͤrdeſt
dich nicht ſo albern benehmen! — Wohlan, erwiederte der Neffe,
warum heirathen Sie die junge Wittwe nicht ſelbſt, lieber On⸗ ö
kel, ich bin es zufrieden, — Ja, aber ſie wuͤrde es nicht ſeyn,
 
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