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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 40-51 (April 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0205

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Ni 47. Montag den 19. April 182.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Mythologiſche Dichtungen.

IVL. Die Heliaden.

Streue den Weihrauch, glückliche Welt!
Dankende Opfer, ſelige Erde!
Strömet Geſaͤnge, betende Feier!
Helios lenket den Strahlenwagen,
Und begluͤcket euch, und liebet euch!
Aber wir weinen,
Und nennen ihn Vater!
Warum o Phaeton, mußteſt du Sohn ihm ſeyn?
Warum nicht unſer Bruder, ohne ihn den Vater?
O wer legte dir
Den unbeſieglichen Muth,
den geahnten Goötterwillen
In die ſtarke Bruſt?
Da ſchwangſt du dich auf
In nie ermeßne Hoͤhen,
Da blendete dich der Glanz,
Und du ſankſt von Gluth umfloſſen,
Vom Licht umſtrahlt,
Vom Klitz getroffen,
Aber dein ſtolzes Wollen erreicht.
Der, den wir Vater nennen,
Rettete dich nicht.
Und nun ſtehn wir weinend
An des Stromes Ufer!

Feſtgewurzelt,
Die Locken vom Wind zerriſſen,
Der Kleider Saum bethaut von ſcherzenden Wellen,
Umſaͤuſelt vom Zephyre,
Umfloſſen von des Vaters Glanz,
Aber wir weinen heiße Thränenfluth.
Es locken Sirenenklaͤnge,
Die Stimmen rufen —
Die Goͤtter der Fluren umkoſen uns, heiter ſcherzend —
Aber wir weinen heiße Thraͤnenfluth!

Der Otreſtiaden lockige Menge

Kleidet in Echo's Stimmen
Die troͤſtende Klage,
Den klagenden Troſt.
Die blumenbekraͤnzten Leimoniaden
Nahen ſich ſcherzend,
Heiter ſpielend,
Rufen uns liebreich, zu nahen,
Es flöten Naiden uns Troͤſtung zu.
Von ferne nahen
Die holden Napaͤen,
Mitgefühl in den Blicken,
Nicht auf der Lippe —
Aber wir weinen heiße Thränenfluth.
Nur, wenn die ſuͤßen, ſanften Dryaden
Mit uns weinen,
Mit uns leiden
In unendlicher Qual —
 
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