Nachrichten uͤber Kunſt, à
Leben und Wiſſenſchaft.
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Chronik der Großh. Schaubühne zu Mannheim.
Donnerſtag, den 8. Januar, 1824. „Die Brandſchatzung.“
Luſtſpiel in 1 Akte, von Kotzebue. (Siehe Nro. 76.
1821. Nro. 91. 1822.) Hierauf: Die 2 lezten Akte des
Iffland'ſchen Schauſpiels: „Die Hageſtolzen.“ (Siehe
Nro. 7. 1821. Nro. 28. 1823.)
Die Darſtellung des erſten Stücks iſt eine der vorzüglichſten unſerer
Bühne, in der ſich Herr Thürnagel als Klippfiſch ganz beſonders aus-
zeichnet. In den 2 lezten Akten der „Hageſtolzen“ aber hatten wir
das Vergnügen, Dem. Bauer, vom Karlsruher Hoftheater, eine auf-
blühende ſehr angenehme Erſcheinung, kennen zu lernen. Nach Be-
endigung ihrer drei Gaſtrollen, werden wir auf dieſe junge piel ver-
ſprechende Schauſpielerin zurückkommen.
Freitag, den 9. Januar. „DDie Schweſtern aus Prag.“
Singſpiel in 2 Abtheilungen, von Perrinet; Muſik von
Wenzl Müller.
Wir lieben die gewöhnliche Vornehmthuerei nicht, über dergleichen
Hogarthiſche Gemälde bedenklich die Achſeln zu zucken; ſondern wir
geſtehen aufrichtig, daß uns dieſe Vorſtellung mehrere erheiternde
Augenblicke gewährte. Johann Schneck (Herr Blumenfeld) und
Kaspar (Herr Obermayer) waren wirklich komiſch und wußten im
Geiſte ihrer darzuſtellenden Rollen nicht nur zu ſprechen ſondern auch
zu handeln. Durch mehrere eingelegte Arien, beſonders durch ein
Duett aus der „Aline“ mit Lorchen (Mad. Rüppell) ſteigerte Herr
Blumenfeld noch den Beifall der ihm überall für ſein ſs ſeltenes und
erfreuliches Talent werden wird und werden muß. Bei Kriſpins
(Herrn Ritter) erſtem, nach der Volksſage ſehr individualiſirtem, Er-
ſcheinen drängte ſich uns Göthe's: „Schneider⸗Courage“
„Zwei Spatzen und ein Schneider
„Die fielen von dem Schuß;“
„»Die Spatzen von den Schroten,
»Der Schneider von dem Schreck;
unwiderſtehlich auf.
Sonntag, den 11. Januar. „Precioſa.“ Romantiſches
Schauſpiel in à Abtheilungen, von Wolf; Muſik von
Weber. (Siehe Nro. 2. und 3. 1823.)
Da wir über den romantiſchen Gegenſtand dieſes Schauſpiels, über
ſeine Darſtellung und treffliche Muſik bereits geſprochen haben, ſo
bleibt uns nur noch von der ſo lieblichen Precioſa zu reden übrig,
welche Dem. Bauer zur zweiten Gaſtdarſtellung gewählt hatte und die
wir bei Beurtheilung ihrer dritten und lezten nach Verdienſt zu wür-
digen nicht ermangein werden.
Dienſtag, den 13. Januar. DDie Korſen.“ Schauſpiel in
àAbtheilungen, von Kotzebue. (Siehe Nro. 17. 1821.
Nro. 53. 1822. Nro. 5. 1823.)
Mittwoch, den 14½. Januar. Zum erſten Male: „Der
Neffe als Braut des Oheims,“ oder: „Liebesabentheuer
zu Strümpfelbach“; Seitenſtuͤck zur falſchen Catalani.
Komiſche Oper in 2 Abtheilungen, von Meisl; Muſik
von Gläſer.
Durch dieſes elende Machwerk, wird ſich Herr Meißl nicht verewigen.
Wir ſind der Poſſe nicht abgeneigt, inſofern ſie ihren Kunſtcharakter
nicht verläugnet, das heißt friſch, tüchtig und volkstyümlich iſt, wenn
ſie aber in Abgeſchmacktheiten u. Gemeinplätzen ausartet; ſo gehört ſie auf
die Budentheater der Dörfer u. Flecken des ſüdlichen Teutſchlands u. dann
kann ſie uns auch nur ein Lächeln des Mitleids abgewinnen. Herr
Blumenfeld gab den Max und wurde, wie in all ſeinen frühern
Vorſtellungen, gerufen, welche ſeltene Gunſt der Bewohner Mann-
heims er durch Gegengunſt ſchmeichelnd erwiederte.
Erlach.
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Korreſpondenz⸗Nachrichten.
Karlsruhe, den 9. Januar, 1824.
Unſer Publikum hätte der Maͤdame Neumann nicht beſſer zeigen
können, wie ſehr es ihren hohen Werth erkenne, als durch den äußerſt
zahlreichen Beſuch ihrer geſtrigen Benefize Vorſtellung: „Der Bräu-
tigam aus Mexiko“, welches um ſo mehr zu ſchätzen iſt, weil dieſes
Stück ſchon früher mit aufgehobenem Abonnement gegeben wurde.
Das Parquet war zum Erſticken voll und ſelbſt die Logen des erſten
Ranges (von welchen ein beliebter Komiker als Staberl einſt vaſſend
extemporirte, daß ſolche in gewiſſen Vorſtellungen immer leer blieben)
waren ſehr ſchön garnirt. Dieſes Luſtſpiel iſt von Clauren nach ſeiner
eigenen Erzählung „die Kartoffeln in der Schale“ für die Bühne be-
arbeitet, und die muntere Sprache und der freundliche Humor, welche
ſelbſt dem ſchwermüthigſten Hypochonder ein Lächeln abzwingen könn-
ten, werden ihm überall eine günſtige Aufnahme verſchaffen, wenn es
auch als dramatiſches Kunſtwerk keinen hohen Rang einnehmen
dürfte. Die heitere Laune, welche in allen proſaiſchen Auflätzen des
Verfaſſers ſo freundlich erſcheint, iſt hier mit beiſſendem Witze und
ſtechender Ironie gepaart und beſonders freimüthig ſchwingt der be-
liebte Dichter ſeine ſatyriſche Geiſſel gegen das ſchöne Geſchlecht aus
den höhern Standen. Wenn ſeine Charaktere mit ſehr graſſen Farben
gezeichnet ſind, ſo iſt doch in mehreren Situationen nicht zu verkennen,
daß ſeinen Portraits Originale aus der Wirklichkeit geſeſſen haben,
welchen die dichteriſche Phantaſie einen äußerſt lebhaften Anſtrich
gegeben hat.
Die Aufführung war vorzüglich. Herr Maier ſchilderte den Grafen
von Prahlenſtein, ohne ins Karrikate auszuarten, mit ſehr lebendigen
Farben, und ſein vortreffliches Spiel charakteriſirte den eiteln Thoren,
deſſen einziges Verdienſt in ſeinem Stammbaume beſteht. Herr Dem-
mer, als Lerchenthal, war ächtkomiſch und das unvermögen den Buch-
ſtaben L auszuſprechen, erregte öfters die allgemeine Lachluſt; doch
entſtanden in einigen franzöſiſchen Ausdrücken Trivialitäten, die aus
Thaliens heiterm Tempel verbannt werden ſollten. Den eiteln Hoch-
muth der Grätin Iſabelle, gepaart mit äußerſt beſchränktem Verſtande,
wußte Mlle. Maas meiſterhaft auszudrücken, und ihre linkiſchen
nanieren hatten in einem ſolchen hohen Grade das Gepräge des
iatürlichen, daß ſie aus der Wirklichkeit entlehnt ſchienen. Ein lo-
benswerther Eifer des Hrn. Ed. Meier, als Don Mantequilla, war
nicht zu verkennen, und um allgemein anzuſprechen wäre nur zu
wünſchen geweſen, daß er ſeiner Darſtellung bisweilen ein lebhafteres
Kolorit gegeben hätte. Doch wurden alle dieſe ausgezeichneten Leiſtun-
gen durch das unbeſchreiblich ſchöne Spiel der Madame Neumann, als
Suschen/ verdunkelt. Kunſt und Natur ſchienen zu wetteifern, ihrem
lieblichen Spiele den höchſten Reiz zu geben, und nie wurden wir
mehr als heute von der Wahrheit durchdrungen, daß im muntern
Rollenfache keine Künſtlerin unſrer Verdienſtvollen Neumann die Su-
prematie ſtreitig mache. Die reinſte Kindlichkeit iſt in dem ſeelenvollen
Ausdruck ihrer Mienen wunderſchön gezeichnet, und jeneß reizende
Bild von Unſchuld und Liebe mußte man ſehen, den bezaubernden
Wohlklang ihrer Stimme hören, um fühlen zu können, wie in dieſem
Augenblicke alle Herzen dem reundlich; holden Suschen entgegen-
flogen.
Verleger: Karl Groos, Neue akademiſche Buchhandlung in Heidelberg. — Druckerei von F. Kaufmanns Witwe.
Leben und Wiſſenſchaft.
—2—— — ————f2«•.... ..—....«. ....«.. .«..«9.«9.«9.«2«... . ««.2.
Chronik der Großh. Schaubühne zu Mannheim.
Donnerſtag, den 8. Januar, 1824. „Die Brandſchatzung.“
Luſtſpiel in 1 Akte, von Kotzebue. (Siehe Nro. 76.
1821. Nro. 91. 1822.) Hierauf: Die 2 lezten Akte des
Iffland'ſchen Schauſpiels: „Die Hageſtolzen.“ (Siehe
Nro. 7. 1821. Nro. 28. 1823.)
Die Darſtellung des erſten Stücks iſt eine der vorzüglichſten unſerer
Bühne, in der ſich Herr Thürnagel als Klippfiſch ganz beſonders aus-
zeichnet. In den 2 lezten Akten der „Hageſtolzen“ aber hatten wir
das Vergnügen, Dem. Bauer, vom Karlsruher Hoftheater, eine auf-
blühende ſehr angenehme Erſcheinung, kennen zu lernen. Nach Be-
endigung ihrer drei Gaſtrollen, werden wir auf dieſe junge piel ver-
ſprechende Schauſpielerin zurückkommen.
Freitag, den 9. Januar. „DDie Schweſtern aus Prag.“
Singſpiel in 2 Abtheilungen, von Perrinet; Muſik von
Wenzl Müller.
Wir lieben die gewöhnliche Vornehmthuerei nicht, über dergleichen
Hogarthiſche Gemälde bedenklich die Achſeln zu zucken; ſondern wir
geſtehen aufrichtig, daß uns dieſe Vorſtellung mehrere erheiternde
Augenblicke gewährte. Johann Schneck (Herr Blumenfeld) und
Kaspar (Herr Obermayer) waren wirklich komiſch und wußten im
Geiſte ihrer darzuſtellenden Rollen nicht nur zu ſprechen ſondern auch
zu handeln. Durch mehrere eingelegte Arien, beſonders durch ein
Duett aus der „Aline“ mit Lorchen (Mad. Rüppell) ſteigerte Herr
Blumenfeld noch den Beifall der ihm überall für ſein ſs ſeltenes und
erfreuliches Talent werden wird und werden muß. Bei Kriſpins
(Herrn Ritter) erſtem, nach der Volksſage ſehr individualiſirtem, Er-
ſcheinen drängte ſich uns Göthe's: „Schneider⸗Courage“
„Zwei Spatzen und ein Schneider
„Die fielen von dem Schuß;“
„»Die Spatzen von den Schroten,
»Der Schneider von dem Schreck;
unwiderſtehlich auf.
Sonntag, den 11. Januar. „Precioſa.“ Romantiſches
Schauſpiel in à Abtheilungen, von Wolf; Muſik von
Weber. (Siehe Nro. 2. und 3. 1823.)
Da wir über den romantiſchen Gegenſtand dieſes Schauſpiels, über
ſeine Darſtellung und treffliche Muſik bereits geſprochen haben, ſo
bleibt uns nur noch von der ſo lieblichen Precioſa zu reden übrig,
welche Dem. Bauer zur zweiten Gaſtdarſtellung gewählt hatte und die
wir bei Beurtheilung ihrer dritten und lezten nach Verdienſt zu wür-
digen nicht ermangein werden.
Dienſtag, den 13. Januar. DDie Korſen.“ Schauſpiel in
àAbtheilungen, von Kotzebue. (Siehe Nro. 17. 1821.
Nro. 53. 1822. Nro. 5. 1823.)
Mittwoch, den 14½. Januar. Zum erſten Male: „Der
Neffe als Braut des Oheims,“ oder: „Liebesabentheuer
zu Strümpfelbach“; Seitenſtuͤck zur falſchen Catalani.
Komiſche Oper in 2 Abtheilungen, von Meisl; Muſik
von Gläſer.
Durch dieſes elende Machwerk, wird ſich Herr Meißl nicht verewigen.
Wir ſind der Poſſe nicht abgeneigt, inſofern ſie ihren Kunſtcharakter
nicht verläugnet, das heißt friſch, tüchtig und volkstyümlich iſt, wenn
ſie aber in Abgeſchmacktheiten u. Gemeinplätzen ausartet; ſo gehört ſie auf
die Budentheater der Dörfer u. Flecken des ſüdlichen Teutſchlands u. dann
kann ſie uns auch nur ein Lächeln des Mitleids abgewinnen. Herr
Blumenfeld gab den Max und wurde, wie in all ſeinen frühern
Vorſtellungen, gerufen, welche ſeltene Gunſt der Bewohner Mann-
heims er durch Gegengunſt ſchmeichelnd erwiederte.
Erlach.
2——2— ——ff54««
Korreſpondenz⸗Nachrichten.
Karlsruhe, den 9. Januar, 1824.
Unſer Publikum hätte der Maͤdame Neumann nicht beſſer zeigen
können, wie ſehr es ihren hohen Werth erkenne, als durch den äußerſt
zahlreichen Beſuch ihrer geſtrigen Benefize Vorſtellung: „Der Bräu-
tigam aus Mexiko“, welches um ſo mehr zu ſchätzen iſt, weil dieſes
Stück ſchon früher mit aufgehobenem Abonnement gegeben wurde.
Das Parquet war zum Erſticken voll und ſelbſt die Logen des erſten
Ranges (von welchen ein beliebter Komiker als Staberl einſt vaſſend
extemporirte, daß ſolche in gewiſſen Vorſtellungen immer leer blieben)
waren ſehr ſchön garnirt. Dieſes Luſtſpiel iſt von Clauren nach ſeiner
eigenen Erzählung „die Kartoffeln in der Schale“ für die Bühne be-
arbeitet, und die muntere Sprache und der freundliche Humor, welche
ſelbſt dem ſchwermüthigſten Hypochonder ein Lächeln abzwingen könn-
ten, werden ihm überall eine günſtige Aufnahme verſchaffen, wenn es
auch als dramatiſches Kunſtwerk keinen hohen Rang einnehmen
dürfte. Die heitere Laune, welche in allen proſaiſchen Auflätzen des
Verfaſſers ſo freundlich erſcheint, iſt hier mit beiſſendem Witze und
ſtechender Ironie gepaart und beſonders freimüthig ſchwingt der be-
liebte Dichter ſeine ſatyriſche Geiſſel gegen das ſchöne Geſchlecht aus
den höhern Standen. Wenn ſeine Charaktere mit ſehr graſſen Farben
gezeichnet ſind, ſo iſt doch in mehreren Situationen nicht zu verkennen,
daß ſeinen Portraits Originale aus der Wirklichkeit geſeſſen haben,
welchen die dichteriſche Phantaſie einen äußerſt lebhaften Anſtrich
gegeben hat.
Die Aufführung war vorzüglich. Herr Maier ſchilderte den Grafen
von Prahlenſtein, ohne ins Karrikate auszuarten, mit ſehr lebendigen
Farben, und ſein vortreffliches Spiel charakteriſirte den eiteln Thoren,
deſſen einziges Verdienſt in ſeinem Stammbaume beſteht. Herr Dem-
mer, als Lerchenthal, war ächtkomiſch und das unvermögen den Buch-
ſtaben L auszuſprechen, erregte öfters die allgemeine Lachluſt; doch
entſtanden in einigen franzöſiſchen Ausdrücken Trivialitäten, die aus
Thaliens heiterm Tempel verbannt werden ſollten. Den eiteln Hoch-
muth der Grätin Iſabelle, gepaart mit äußerſt beſchränktem Verſtande,
wußte Mlle. Maas meiſterhaft auszudrücken, und ihre linkiſchen
nanieren hatten in einem ſolchen hohen Grade das Gepräge des
iatürlichen, daß ſie aus der Wirklichkeit entlehnt ſchienen. Ein lo-
benswerther Eifer des Hrn. Ed. Meier, als Don Mantequilla, war
nicht zu verkennen, und um allgemein anzuſprechen wäre nur zu
wünſchen geweſen, daß er ſeiner Darſtellung bisweilen ein lebhafteres
Kolorit gegeben hätte. Doch wurden alle dieſe ausgezeichneten Leiſtun-
gen durch das unbeſchreiblich ſchöne Spiel der Madame Neumann, als
Suschen/ verdunkelt. Kunſt und Natur ſchienen zu wetteifern, ihrem
lieblichen Spiele den höchſten Reiz zu geben, und nie wurden wir
mehr als heute von der Wahrheit durchdrungen, daß im muntern
Rollenfache keine Künſtlerin unſrer Verdienſtvollen Neumann die Su-
prematie ſtreitig mache. Die reinſte Kindlichkeit iſt in dem ſeelenvollen
Ausdruck ihrer Mienen wunderſchön gezeichnet, und jeneß reizende
Bild von Unſchuld und Liebe mußte man ſehen, den bezaubernden
Wohlklang ihrer Stimme hören, um fühlen zu können, wie in dieſem
Augenblicke alle Herzen dem reundlich; holden Suschen entgegen-
flogen.
Verleger: Karl Groos, Neue akademiſche Buchhandlung in Heidelberg. — Druckerei von F. Kaufmanns Witwe.